Weitere eindrucksvolle Stationen auf
der internationalen Laufbahn Fritz Schmidts, dessen besondere Qualitäten seine
Vielseitigkeit und sein Trainingsfleiß sind und der nicht selten von
Fachjournalisten als "Konditionswunder" apostrophiert wird, waren die
Europameisterschaften 1970 und die Weltmeisterschaftsteilnahme 1971.
Nach München soll Schmidts
sportliches Bestreben vorrangig auf dei Vereinsmannschaft ausgerichtet sein, die
er auch seither mit Seppl Schnur fachkundig betreute. Auch an
Funktionärsaufgaben in der Führungsspitze des deutschen Hockeyverbandes würde
der sprachgewandte und sympathische Sportler mögliche Interessen bekunden.
-mt-
Aus "Main-Spitze" am 23.08.1972:
Fritz Schmidt: Statt nach Inzell
in die Heimat
Für Fritz Schmidt, Rüsselsheims
Hockey-Internationalen, sind die Olympischen Spiele schon zu Ende, bevor sie
überhaupt begonnen haben. "Schimmi" brach sich den Mittelhandknochen der linken
Hand, die schon einmal lädiert war. Die Hand musste genagelt und gedrahtet
werden. Ein unbedacht geschwungener Hockeyschläger eines holländischen Spielers
zerstörte alle olympischen Träume von Edelmetall für den Bäckermeister.
Im Stammhaus in der Alten Kirchstraße
schwang die Stimmung gestern auf Moll um. Die Eltern versuchten schon am
Vormittag, von der Hiobsbotschaft aufgeschreckt, Kontakt mit ihrem Sohn zu
finden, der aber um diese Zeit noch im Krankenhaus war. Dafür gab Schmidts
Mannschaftskamerad Frieder Fleck den besorgten Rüsselsheimern in der Heimat
erste Auskunft. Fleck hat sich während der Spiele als Mitarbeiter im
Organisationszentrum verdingt.
Später hatte die Mutter dann ihren
Fritz selbst an der Strippe und erfuhr, dass "Schimmi" schon am gleichen Abend
auf dem Rhein-Main-Flughafen eintreffen werde. Bis kommenden Samstag wird er in
Rüsselsheim bleiben, während sich seine Kameraden von der Nationalmannschaft
nach Inzell begeben haben, um letzte Vorbereitungen zu treffen, darunter auch
Peter Kraus und Rainer Seifert, auf denen jetzt Rüsselsheims letzte
Olympia-Hoffnungen rufen.
Seppl Schnur, Coach des Rüsselsheimer
RK, wies auf die opferreichen Vorbereitungen von Fritz Schmidt hin, der seine
Laufbahn in München krönen wollte. All das war jetzt umsonst, genauso wie die
verstärkte Hingabe der Eltern im Geschäft, mit der das Fehlen des
Nationalspielers am Backofen ausgeglichen werden sollte.
Sechs Wochen Zwangspause, das ist
bitter für Fritz Schmidt, der am kommenden Samstag nach München fliegt.
Aus "Main-Spitze" vom 31.08.1972:
Willi Hofmann dreht
den Sportscheinwerfer
Rüsselsheims "Inder" mit prächtigem Einstand
Rainer Seifert und seine Tor-Doublette − "Schimmi" mit
Trainingsversuchen und kurzem Einsatz
Gerade hatte er − mit dem Unterton
einer gewissen Resignation − noch bekannt, mit dem Los des Ersatzmannes
zufrieden zu sein, da kam für Rainer Seifert, Rüsselsheims "Inder", die
Berufung in die Nationalmannschaft. Er rechtfertigte die mit zwei spielentscheidenden Treffern gegen Argentinien, womit sich der Rüsselsheimer
nun mindest als gleichwertig im Delmes-Team etablierte. Dem Bundestrainer
bleibt jetzt die Qual der Wahl. Uli Vos von Malaysias "Hockeyschwingern" arg
malträtiert, will gegen Pakistan wieder dabei sein. Nach den ersten blendenden
Leistungen ein verständlicher Wunsch. Sollte die deutsche Mannschaft, der der
Hockeyhimmel jetzt noch offen steht, eine Medaille erringen, die beiden Tore
von Rainer Seifert − den wir noch oft dabei zu sehen wünschen − werden
mitentscheidend sein.
Aus welchem Holz der "Schimmi"
Schmidt geschnitzt ist, sagt die Meldung von den ersten Trainingsversuchen des
Rekordnationalen, der Nagel Nagel sein ließ und bestrebt ist, seine Form
wieder zu finden. Es kommt auf jeden Mann an, und unser Fritz würde − wie wir ihn
kennen − sogar mit Gipsfuß spielen, wenn es um seine Mannschaft geht.
Trotz seiner
Handverletzung kommt Fritz Schmidt beim olympischen Hockeyturnier im Gruppenspiel gegen Frankreich für eine Halbzeit
zum Einsatz. Vor dem Halbfinale nimmt er seinem Trainer dann eine wichtige
Entscheidung ab. Nach dem Abschlusstraining erklärt der angeschlagene Schmidt
seinen Verzicht auf das Halbfinale gegen Holland, das von der deutschen
Mannschaft mit 3:1 gewonnen wird.
Aus "Main-Spitze" vom 11.09.1972:
Deutsches Hockey-Team:
Gold − Pakistani schlechte Verlierer
Von Fritz Reis
Mit einem handfesten
Skandal endete das olympische Hockeyturnier, das die Mannschaft der
Bundesrepublik mit einem 1:0 (0:0) gegen Pakistan gewann. Die Hockeykünstler aus
dem Fernen Osten wurden mit ihrer sportlichen Niederlage nicht fertig. Sie
hatten nicht nur das Spiel und die Goldmedaille verloren, sondern auch jeden
sportlichen Anstand. Zunächst weigerten sie sich zur Siegerehrung zu erscheinen,
dann trotteten sie doch auf den Rasen. Als das deutsche IOC-Mitglied Berthold
Beitz ihnen die Silbermedaille umhängen wollte, lehnten sie ab. Sie nahmen sie
lediglich entgegen und "fummelten" an ihnen herum. Auch beim Spielen der
deutschen Nationalhymne verhielten sie sich demonstrativ. Ein offizielles
pakistanisches Teammitglied musste einen nach dem anderen der dreizehn Spieler
bitten, der Fahne des Gastgebers und Olympiasiegers die Ehre zu erweisen.
"Übertrumpft" wurden die
Sportler noch von gut einem Dutzend Schlachtenbummler, die sich wie Wilde
gebärdeten. In ihrer blinden Wut schrieen sie unter anderem (wir bitten um
Verzeihung): "Deutschland Sch ..." Einer von ihnen besetzte die höchste Stelle
des Siegerpodestes und schwenkte die Flagge Pakistans.
Wie inzwischen bekannt
wurde, wird wegen des unmöglichen Verhaltens der pakistanischen Sportler und
Zuschauer das Exekutiv-Komitee des IOC am Montagmorgen zusammentreten. Als in
der vergangenen Woche die amerikanischen 400-Meter-Läufer Vincent Matthews und
Wayne Collet bei der Siegerehrung der Fahne ihres eigenen Landes den Rücken
kehrten, gab es den Ausschluss beider von allen künftigen Olympischen Spielen.
Die Pakistanis
überraschten die deutsche Mannschaft mit einem von ihnen bisher nicht
praktizierten Spielsystem. Sie hatten ihre Abwehr zahlenmäßig verstärkt und
bevorzugten, mit wenigen Ausnahmen kurz vor der Pause sowie nach
der Halbzeit abgesehen, das Defensivspiel. Die
angriffsfreudige deutsche Mannschaft erreichte 6:1 Strafecken und 3:1 lange
Ecken. Eine der Strafecken führte durch das Trio
Carsten Keller, Uli Vos und Michael Krause zum Erfolg und zur Goldmedaille, die
von den etwa 15.000 Zuschauern gefeiert wurde.
Die Mannschaft der
Bundesrepublik hatte durchaus die Möglichkeit, das Ergebnis zu verbessern, doch
der Frankfurter Dröse hatte wenige Minuten nach dem
Führungstreffer nicht die Nervenkraft zum 2:0. Die Pakistanis besaßen in
ihrem Torhüter Saleem Sherwani ein unüberwindliches Hindernis. Er war der
einzige seines Teams, der in den hektischen Schlussminuten
Ruhe und Übersicht bewahrte, die letzte Strafecke und auch den folgenden
Nachschuss abwehrte.
Die Bundesrepublik
Deutschland spielte mit Peter Kraus (Rüsselsheim),
Michael Peter (Heidelberg), Peter Freise (Heidelberg), Michael Krause (Köln),
Eduard Thelen (Köln), Horst Dröse (Frankfurt), Carsten Keller (Berlin), Ulrich
Klaes (Köln), Wolfgang Baumgart (Frankfurt), Uli Vos (Gladbach) und Peter Trump
(Frankenthal).
Die deutsche
Hockey-Nationalmannschaft mit drei RRKlern ist Olympiasieger 1972
(Rainer
Seifert/vorn links, Fritz Schmidt/vorn 2. von links, Peter Kraus/vorn 5. von
links) |
Der missglückte Abgang im
verflixten olympischen Jahr
RÜSSELSHEIM. "Ich bin keiner von
denen gewesen, die eine Goldmedaille gewonnen haben. Ich fühle mich auch nicht
wie ein Olympiasieger." Das Klagelied stammt von Fritz Schmidt, dem Kapitän des
Rüsselsheimer RK, nach landläufiger Meinung ein medaillengeschmückter
Olympionike, wie alle anderen Mitglieder des deutschen Hockeyteams. Warum also
diese Konfusion? Tatsächlich stand Fritz Schmidt bei der Medaillenverleihung
nicht auf dem Siegertreppchen, seine Medaille wurde nachgeprägt und
nachgereicht.
München, der vermeintliche Höhepunkt
einer Karriere, der Traum vom Gewinn der Goldmedaille, wurde für Fritz Schmidt
zum Trauma. Noch bevor das olympische Turnier überhaupt begonnen hatte,
bedeutete der Bruch des Handwurzelknochens bereits das "Aus". Die 29minütige
Mitwirkung im Vorrundenspiel gegen Frankreich (4:0) wertete Schmidt nur noch als
Geplänkel, ein Rückzugsgefecht auf internationaler Bühne.
Mit diesem Turnier in München sollte
endgültig Schluss seiner internationalen Laufbahn sein, nachzulesen in Schmidts
ureigenem Beitrag in dem Büchlein "Hockey, ein Weg zum Gold" (Hrsg. Deutscher
Hockey-Bund). Mittlerweile hat Schmidt es sich anders überlegt.
Mit Fug und Recht kann behauptet werden, dass jene, damals als "tragisch"
empfundene Verletzung, an allem schuld ist. Der ehrgeizige Rüsselsheimer hat das
Gefühl entwickelt, um den ganz großen Erfolg betrogen worden zu sein. Zum
Beispiel damals in Mexiko, als ein vierter Platz ihn lediglich am olympischen
Gold schnuppern ließ.
Mitte Januar, beim internationalen
Hallen-Länderturnier in Arnheim, verblüffte Schmidt durch seine Anwesenheit im
Kreis der Nationalmannschaft, aus dem er sich ja eigentlich schon verabschiedet
hatte. Nahziel ist die Weltmeisterschaft im August dieses Jahres in Amsterdam.
Wenn's mit dem Titel klappt, ist dann sicher auch der große Abschied fällig.
Fritz Schmidt gehört also wieder dazu und verzichtet diplomatisch auf ein
ausdrückliches Dementi seiner Entscheidung von damals. "Ich sehe überhaupt nicht
ein, aufzuhören, solange ich noch so gut bin wie früher." Das Argument ist
stichhaltig. Er ist noch genauso gut wie damals, im verflixten olympischen Jahr.
ley.