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Über Mitglieder des
RRK (1994)
Eva Hagenbäumer |
Mit gebrochenem Daumen zur Hockey-WM
Eva Hagenbäumer
bewahrt Selbstvertrauen
Von Peter Penders (aus
"FAZ" vom 14.07.1994)
FRANKFURT. Der Hieb von Ros Howell
hatte eine doppelt durchschlagende Wirkung. Zum einen war der Südafrikanerin
beim 3:4 im Testspiel vor zwei Wochen gegen die deutschen Hockeydamen ein Tor
gelungen, zum anderen hatte sie mit dem Schläger aber auch die Hand von Eva
Hagenbäumer getroffen. Die daraus resultierende Kranzfraktur am rechten Daumen
behindert die Mannschaftsführerin des deutschen Meisters Rüsselsheimer RK zwar,
hindert sie aber nicht an der Teilnahme bei der Weltmeisterschaft in Dublin. Die
Titelkämpfe begannen für die deutsche Mannschaft gestern mit dem erwarteten Sieg
beim 2:0-Erfolg gegen Kanada.
"Unser Minimalziel ist das
Halbfinale", sagt Bundestrainer Rüdiger Hänel und wird auf mehr hoffen. Als
Weltmeister wären die Olympiazweiten von Barcelona für Atlanta qualifiziert.
Dafür muß die Mannschaft, anders als bei den gerade heimgekehrten Kollegen vom
Fußball, mit nur 16 Spielerinnen auskommen und bis zu einem Titelgewinn sieben
Partien in nur elf Tagen bestreiten. Ausgerechnet auf seine gehandicapte
Spielerin baut Hänel dabei besonders. "Sie ist der Fels in unserer Abwehr und
strahlt durch ihre Art und Erfahrung große Ruhe aus."
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Soviel Lob verwundert nicht nur die
Spielerin, die das olympische Turnier 1992 schließlich vorwiegend auf der
Ersatzbank erlebte. Im Verein gewohnt, eine dominierende Rolle sowohl auf als
auch außerhalb des Platzes einzunehmen, geriet Barcelona trotz der
Silbermedaille zum Negativerlebnis, weil Hänel mit Simone Thomaschinski eine
solide Abwehrspielerin ohne große Außenwirkung aus seinem Heimatverein RTHC
Leverkusen vorzog. "Noch einmal hätte ich den Aufwand nicht betrieben, um nur
als Ersatzspielerin mitzufahren", sagt Eva Hagenbäumer.
Die Gefahr ist gering, denn die mit
27 Jahren älteste deutsche WM-Fahrerin ist inzwischen neben Mannschaftsführerin
Franziska Hentschel die Vertrauensperson, die Hänel, in seinem Wesen
Fußball-Bundestrainer Berti Vogts bisweilen nicht unähnlich, über seine Pläne
unterrichtet. Eine Einschätzung, die dem Selbstverständnis der stets überaus
ehrgeizigen Spielerin entspricht. "Ich fahre nicht nach Dublin, um im Spiel um
Platz fünf oder sechs zu stehen." Noch Schlimmeres war den Deutschen vor vier
Jahren in Sydney widerfahren, als die damals noch äußerst unerfahrene Mannschaft
das Halbfinale knapp verpaßte und schließlich sogar die schlimmsten Erwartungen
mit dem enttäuschenden achten Platz übertraf.
Mit einem Tapeverband und notfalls
einer schmerzstillenden Spritze will die besonders für ihre kämpferische
Einstellung geschätzte Rüsselsheimerin nun nach Möglichkeit Ähnliches
verhindern. "Wenn wir so abschneiden wie in Sydney, höre ich auf", sagt Eva
Hagenbäumer nach mittlerweile 95 Länderspielen. Auch in einem erfolgreicheren
Fall will sie eine Fortsetzung der Karriere in der Nationalmannschaft erst
einmal von der eigenen Leistung abhängig machen. Barcelona hat seine Spuren
hinterlassen. Wobei allerdings der Weltmeistertitel kein Grund wäre, zu gehen,
wenn es am schönsten ist. Atlanta 1996 und möglicherweise doch noch schönere
olympische Tage als in Spanien wären wieder eine Überlegung wert. Und der Daumen
ist ohnehin zum dritten Male gebrochen.
"Falls Rüdiger mich dann noch will"
1:2
gegen China machte Eva Hagenbäumers 100. Länderspiel zu traurigem Ereignis
Von
Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 21.07.1994)
Die Lust, das besondere
Ereignis zumindest im kleinen Rahmen zu feiern, war ihr vergangen. Tieftraurig
und mit versteinerter Miene saß Eva Hagenbäumer in der Pressekonferenz und ließ
die bohrenden Fragen der Journalisten nach der deutschen 1:2-Niederlage gegen
China im vierten Gruppenspiel der 8. Hockey-Weltmeisterschaft über sich ergehen.
Verständlich, denn über den unmittelbaren Frust der ersten Niederlage bei den
Titelkämpfen hinaus hatte sich die 27jährige Spielführerin des Rüsselsheimer RK
ihren 100. Einsatz in der Nationalmannschaft zweifelsohne anders vorgestellt.
"Wir haben es einfach
nicht geschafft, hinten dicht zu halten", ärgerte sich Eva, die in Dublin
(Irland) ihre zweite Weltmeisterschaft bestreitet. An die erste Teilnahme vor
vier Jahren in Sydney (Australien) mag sich die Krankengymnastin nur noch wegen
des Rahmenprogramms gerne erinnern: Die deutschen Damen hatten tatenlos zusehen
müssen, wie sie durch das maßgeschneiderte 0:0 zwischen Australien und England
aus den Halbfinals verdrängt wurden und am Ende nur Achter wurden. Daß Eva ein
solches Drama partout nicht noch einmal erleben möchte, liegt auf der Hand.
Aber: "Wenn man so unglücklich ausscheidet, geht oft anschließend gar nichts
mehr", weiß die "Teamseniorin" um die psychologische Komponente im (Hockey-)Sport.
Entsprechend ihrem
Naturell als Mittelfeldspielerin im Verein und offensiv orientierter
Innenverteidigerin im Nationalteam gab sich Eva in der Stunde der schmerzlichen
Niederlage gewohnt kämpferisch: "Diesmal können wir es aus eigener Kraft
schaffen". Daß der Gegner im alles entscheidenden letzten Gruppenspiel
ausgerechnet Weltmeister Niederlande heißt, kann die gebürtige Wiesbadenerin
nicht schrecken. "Die 'Hollis' liegen uns eher, weil sie selbst versuchen, das
Spiel zu machen", berichtet Eva, ohne die Rivalität zu verhehlen. Die Zeiten
aber, in denen beide Taems überhaupt nicht miteinander redeten, scheinen indes
überwunden: "Im Hotel sind wir mit den 'Hollis' auf dem gleichen Gang und
verstehen uns echt gut", erzählt der inzwischen fest in Rüsselsheim heimische
RRK-Kapitän.
Wenn Eva Hagenbäumer
mehr als fünf Jahre nach ihrem Länderspieldebüt vor 30.000 Zuschauern im
Londoner Wembleystadion ("Ein gigantisches Erlebnis") allmählich an das Ende
ihrer internationalen Karriere denkt, so geschieht dies nicht aus sportlichen
Gründen. "Eva ist unser Fels in der Abwehrbrandung. Sie strahlt durch ihre
Erfahrung und Art große Ruhe aus und ist auch in der Offensive, im Spielaufbau
sehr wichtig für uns", steht Bundestrainer Rüdiger Hänel (Bonn) nach wie vor zu
seiner ältesten Spielerin. Folglich mag Eva auch nicht gänzlich ausschließen, im
Falle der Qualifikation auch 1996 in Atlanta (USA) noch einmal das "einmalige
Olympiaflair" zu erleben. "Vorausgesetzt, es läuft bei der WM mit der Mannschaft
und bei mir gut, und der Rüdiger will mich dann überhaupt noch."
Ihre Meinung über den
WM-Ort Dublin deckt sich mit der ihrer Rüsselsheimer Mitstreiterinnen: "In einem
Tag hat man fast alles gesehen." Entsprechend würde sich Eva wünschen, die im
Frankfurter Olympiastützpunkt zuletzt die Rehabilitation ihrer am Fuß verletzten
Teamkollegin Britta Becker betreute, "vielleicht doch noch wenigstens einmal an
die Küste zu fahren". Hockeystadion, Trainingsplatz und Hotelzimmer - mehr habe
die WM bislang nicht zu bieten gehabt. Zum Glück, so Eva, seien zumindest die
täglichen Fernsehzusammenfassungen über die Hockey-WM "absolut super. Das sollte
in Deutschland mal jemand sehen", schwärmt sie von den verschiedenen
Kamerapositionen und Zeitlupeneinstellungen. Doch daß das Leben nicht nur aus
Hockey besteht, diese Erkenntnis setzt Eva Hagenbäumer drei Tage nach der
Rückkehr aus Dublin wieder um. Mit ihrem langjährigen Freund Fritz Schmidt will
sie "etwas über drei Wochen" per Mietauto durch Kalifornien fahren und ihre
lädierten Finger gründlich auskurieren - mit oder ohne Weltmeistertitel. |