Von Heiko
Weissinger (aus "Rüsselsheimer Echo" vom 16. Mai 2015)
Die Hockeyfrauen
des Rüsselsheimer RK gehören seit 1987 ununterbrochen der Ersten Liga an, nun
droht dem mehrfachen Deutschen Meister und Europacupsieger der Abstieg.
Kapitänin Eva Frank (26) spricht im Interview über die Aussichten des
Tabellenletzten im Kampf um den Ligaerhalt.
ECHO: Frau
Frank, wie groß ist Ihre Angst, Spielführerin ausgerechnet des RRK-Teams zu
sein, das nach 28 überwiegend ruhmreichen Jahren erstmals den Klassenerhalt in
der Ersten Liga verpasst?
Eva Frank: Die
Angst ist auf jeden Fall da. Wir stehen ganz unten, die Situation kann man nicht
schönreden. Aber die Lage ist nicht hoffnungslos. Wir haben am Wochenende beim
0:1 gegen den UHC Hamburg und 2:2 gegen den Harvestehuder THC einen großen
Schritt nach vorne gemacht, auch wenn es nur ein Punkt geworden ist. Drei wären
super gewesen, aber auch der eine Punkt ist extrem wichtig. Wir glauben alle
noch fest an den Klassenerhalt, und das Wochenende hat uns wieder ein Stück
Selbstvertrauen zurückgegeben.
ECHO: Täuscht
der Eindruck, dass es noch nie so brenzlig war wie heute?
Frank: Der täuscht
nicht. Wir standen in den vergangenen Jahren öfter unten drin, haben uns dann
aber befreit. Unter Trainer Benedikt Schmidt-Busse waren wir mal am Ende der
Hinrunde auf dem letzten Platz, haben dann aber in der Rückrunde fast jedes
Spiel gewonnen und als Fünfter die DM-Endrunde knapp verpasst.
ECHO: Angesichts
der Leistungen in den vergangenen Wochen halten Beobachter den Klassenerhalt für
aussichtslos. Wie schätzen Sie die Chancen des RRK ein?
Frank: Aussichtslos
ist er auf keinen Fall. Wir versuchen die ganze Zeit, an uns zu glauben. Wenn
man dann 0:4 gegen Düsseldorf verliert und 1:6 gegen Berlin, ist das schon sehr
frustrierend. Aber am Wochenende hat man gesehen, dass wir uns wehren können.
Wer uns kennt, weiß, dass wir uns bis zum Ende nicht aufgeben werden.
ECHO:
Einsatzwillen und Leistungsbereitschaft stimmen zweifellos, aber die junge
Mannschaft wirkt überfordert, nicht bundesligatauglich...
Frank: Für einige
kommt die Erste Liga sicher noch zu früh. Aber wir hatten in den letzten Jahren
oft Spielerinnen, die aus der Jugend hochkamen und direkt in eine
verantwortungsvolle Rolle reingeschmissen wurden. Und sie sind meist sehr
schnell in diese Rolle reingewachsen. Das war bei mir auch so, als ich jung war.
Und ich wurde dann auch sehr früh Kapitänin.
Wenn ich mir
beispielsweise Isabel Scherer mit ihren 16 Jahren anschaue: Im ersten Spiel hat
sie noch den ein oder anderen zu einfachen Fehler gemacht, aber jetzt spielt sie
superordentlich. Die Entwicklung bei den Talenten geht rasend schnell. Sie
übernehmen Verantwortung und geben Gas. Das ist bewundernswert, und darauf kann
man aufbauen. Die jungen Spielerinnen als nicht bundesligatauglich abzustempeln,
wäre verfrüht, aus ihnen kann man noch einiges rauskitzeln.
ECHO: Bräuchte
es neben den unerfahrenen Talenten mehr Routiniers als Korsettstangen des Teams?
Frank: Ja, auf
jeden Fall. Wir haben zwei, drei Leute zu wenig, die das Gerüst stellen. Es sind
halt in den vergangenen Jahren immer wieder Spielerinnen gegangen, die die
Führung hätten übernehmen können.
ECHO: Wie ist
das Verhältnis zu Trainer Maciej Matuszynski?
Frank: Manchmal ist
es etwas schwierig, allein wegen der Sprache. Maciej und sein Co-Trainer
Christian Zimmermann unterhalten sich nur auf Polnisch, weil Zimmermann kein
Englisch spricht, der Trainer redet mit uns nur Englisch. Für Maciej ist es
nicht so einfach, sich auf uns einzustellen, weil er nicht versteht, was wir auf
Deutsch untereinander austauschen. Da entstehen manchmal Probleme.
ECHO: Was kann
der Trainer, was kann die Mannschaft tun, um nach nur fünf Punkten aus 15
Spielen und 9:51 Toren in den verbleibenden fünf Partien den Schalter noch
einmal umzulegen?
Frank: Den Schalter
haben wir am Wochenende schon umgelegt, glaube ich. Wir müssen noch mehr über
unsere Stimmung arbeiten. Wenn man nur die nackten Zahlen anschaut, ist die
Stimmung im Keller, und dann funktioniert es nicht. Wir müssen die positiven
Sachen aus dem vergangenen Wochenende rausziehen. Für uns waren das gute
Leistungen. Ich freue mich auf die verbleibenden Spiele, auch wenn das nicht
einfach wird, und bin davon überzeugt, dass wir noch punkten werden.
ECHO: Warum hakt
es gerade in der Offensive?
Frank: Unsere
Probleme kann man nicht speziell auf einen Mannschaftsteil beziehen. Wenn es
hakt, dann hakt es in allen.
ECHO: Sie
spielen schon seit 21 Jahren beim RRK Hockey. Was würde der Abstieg für Sie
persönlich bedeuten und was für den Verein?
Frank: Er wäre
sehr, sehr, sehr enttäuschend und würde mich sehr traurig machen. Was der
Abstieg für den Verein bedeuten würde, kann ich noch gar nicht sagen. Darüber
haben wir uns, glaube ich, alle noch keine richtigen Gedanken gemacht, weil wir
fest daran glauben, den Abstieg zu verhindern.
ECHO: Halten Sie
dem RRK auch in Liga zwei die Treue oder müssen Sie weiter Erste Liga spielen,
um ihre Nationalmannschaftschancen zu wahren?
Frank: Meine
Nationalmannschaftschancen sehe ich im Moment eh nicht mehr. Ich habe dem RRK
immer die Treue gehalten. Momentan bin ich nach Abschluss meines Studiums auf
Jobsuche. Aber wenn ich es beruflich vereinbaren kann, werde ich dem Verein die
Treue halten, auch in Liga zwei.
Auf dem Weg nach unten
Von Christian Stör
(aus "Frankfurter Rundschau" vom 18. Mai 2015)
Der Karren steckt
im Dreck, so viel steht fest. Spielführerin Eva Frank brachte die Stimmungslage
nach dem deprimierenden 1:6 (1:4) des Rüsselsheimer RK gegen den Mannheimer HC
am Samstag jedenfalls auf den Punkt: "Beschissen." Und auch die anderen
Spielerinnen standen mit hängenden Köpfen auf dem Platz, nahmen einander in den
Arm und spendeten sich gegenseitig Trost. Tags darauf wurde es nicht besser: Da
unterlag der RRK Spitzenreiter Rot-Weiss Köln fast ebenso klar mit 1:4 (0:3).
"Das ist schon sehr frustrierend", so Frank.
Spätestens jetzt
weiß auch die größte Optimistin, dass die Stunde geschlagen hat: Nach 28
erfolgreichen Jahren im Oberhaus steht der Rüsselsheimer RK kurz vor dem Abstieg
in die zweite Liga. Ein Blick auf die Tabelle genügt, um zu sehen, wie trostlos
die Situation derzeit ist. Drei Spieltage vor Saisonende findet sich der RRK auf
dem letzten Platz wieder. Einem Sieg und zwei Unentschieden stehen 14
Niederlagen gegenüber – eine niederschmetternde Bilanz.
Geahnt hatten es
die Spielerinnen des RRK freilich schon vor der Saison – und das, obwohl
Schwarz-Weiß Neuss unmittelbar vor Saisonbeginn sein Team vom Spielbetrieb
abgemeldet hatte, weshalb nur ein Klub auf sportlichem Wege den Gang in die
Zweitklassigkeit wird antreten müssen. "So realistisch sind wir schon gewesen",
sagt Frank: "Wir wussten, dass es sehr eng für uns werden würde."
Die Probleme liegen
klar auf der Hand, immerhin verlässt Jahr für Jahr die eine oder andere
Spielerin den Verein. Man muss sich nur einmal den Gegner vom Samstag anschauen:
Lydia Haase, Vera Battenberg und Charlotte van Bodegom sind inzwischen für den
Mannheimer HC aktiv – alles Spielerinnen, die früher das Trikot des
Rüsselsheimer RK getragen haben. Einen solch immensen Aderlass kann auch der
Rüsselsheimer RK trotz seiner guten Jugendarbeit halt irgendwann nicht mehr
verkraften. Laut Eva Frank gibt es zwar immer noch "ein paar Gute" aus den
Jugendteams, die das Bundesligateam auffüllen, doch inzwischen "reicht das
einfach nicht mehr". Eins steht jedenfalls fest: Mit Jugendspielerinnen alleine
ist in der Bundesliga nicht allzu viel zu gewinnen.
Trotzdem hat
Rüsselsheim den Kampf um den Klassenerhalt noch nicht aufgegeben. Dazu muss sich
aber in der Schlussphase der Saison einiges ändern. Denn es reicht halt einfach
nicht, "teilweise ganz ordentlich" (Frank) zu spielen. Das aber ist ganz typisch
für den RRK: Nur selten gelingt es dem Team, über 70 Minuten hinweg eine
konstant gute Leistung abzurufen.
Das ist aber
unbedingt vonnöten, um in den drei noch ausstehenden Spielen daheim gegen den
Club an der Alster sowie auswärts beim TSV Mannheim und dem Münchner SC noch ein
paar Punkte aufs Konto zu schaufeln. Noch ist ja nicht aller Tage Abend,
immerhin beträgt der Rückstand auf den ersten Nichtabstiegsplatz lediglich drei
Zähler. Da ist noch was zu machen.
Doch die Hoffnung
schwindet allmählich. "Wir versuchen, nicht darüber nachzudenken", sagt Eva
Frank: "Doch es ist schwer, den Kopf freizukriegen." Ob die Rüsselsheimerinnen
den Karren noch aus dem Dreck ziehen können, ist augenblicklich also fraglicher
denn je.