Von Alex Westhoff
(aus "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 13. Januar 2015)
Sieben Monate lang
war Eva Frank im Nationalpark NiokoloKoba auf Posten. Quasi Auge in Auge mit
den Guinea-Pavianen, deren Sozialverhalten sie studierte. Von der Sportart
Hockey, erzählt die Biologie-Studentin, sei in Senegal nicht allzu viel bekannt.
Der Sport, der ihr Leben in den vergangenen Jahren prägte und in dem sie es auf
31 Länderspiele brachte, rückte weit in den Hintergrund. Zumal die
Internetverbindung mitten im Nationalpark − drei Stunden von der nächsten Stadt
entfernt − meist nicht einmal ausreichte, um die Bundesliga-Ergebnisse ihres
Rüsselsheimer RK zu verfolgen. Beim Weltenwechsel zurück aus der Weite der
Savanne ins verbaute Rhein-Main-Gebiet dauerte es nun aber nicht lange, bis sie
wieder zum Schläger griff.
Vielmehr ging es
rasant schnell: Am vergangenen Donnerstag trainierte sie das erste Mal wieder
und lernte bei der Gelegenheit auch den RRK-Trainer Maciej Matuszynski kennen.
Der Pole hatte das Team erst im Sommer übernommen und musste in unruhigen Zeiten
beim Traditionsklub von Beginn an damit fertig werden, dass seine beste
Spielerin und Kapitän Eva Frank fehlte. Am Samstag stand Eva Frank beim
2:0-Derbyerfolg gegen die Frankfurter Eintracht, der den Klassenverbleib
sicherte, schon wieder auf dem Hallenparkett in Rüsselsheim. Und tags darauf,
als ob sie niemals weg gewesen wäre, war sie schon in der Startformation gegen
Spitzenreiter Mannheimer HC (3:6). "Ich wollte nach nur einer Trainingseinheit
nicht gleich wieder den Macker machen", erzählt sie schmunzelnd. Obwohl die
alten Reflexe, das Wort zu ergreifen, zu pushen und zu bremsen, sofort wieder
funktionierten. Sie genoss die Erfahrung, dass sich Zeiten ändern, die
Mannschaft sich weiterentwickelt und Hierarchien sich ändern. "Ich freue mich,
dass andere junge Spielerinnen das Heft in die Hand genommen haben. Das ist
schön zu sehen", sagt Eva Frank, die bei ihren Starteinsätzen die Kapitänsbinde
von Lotta Hof bewusst noch nicht zurückgefordert hat. Im Alter von 20 Jahren
hatte Eva Frank, die an diesem Dienstag 26 Jahre alt geworden ist, die
Kapitänsrolle beim RRK übernommen und war dank ihrer Extraklasse in den
vergangenen Jahren Herz, Hirn und Motor im Spiel der Hessinnen, die
Führungsfigur und das Vorbild an Einsatz- und Leistungsbereitschaft schlechthin.
"Ich habe immer alles um Hockey herum gebaut und hintangestellt", sagt Eva
Frank. Der Klub verlor in jenen Jahren viele wichtige Spielerinnen an größere
Klubs − Eva Frank blieb. Dass sie die sportlich kleinere Bühne am Sommerdamm
nicht verließ, kostete sie wohl auch den Durchbruch in der Nationalmannschaft.
Trotz aller Bemühungen schaffte sie es nie in den Kader bei einem der großen
Turniere. "Ich habe immer dran gekratzt, aber es hat nie wirklich gereicht. Ich
habe erstmal damit abgeschlossen und das ist gut für meinen Kopf", sagt sie. Die
beiden olympischen Silbermedaillen, die ihr Vater Tobias mit der deutschen
Auswahl 1984 und 1988 errang, werden wohl die einzigen bleiben im Hause Frank.
Denn auch in den
kommenden Monaten wird Eva Frank nur sporadisch den Schläger in die Hand nehmen
beim RRK. Bis Mitte April wird sie in Göttingen an ihrer Diplomarbeit schreiben.
Thema: die Guinea-Paviane im Nationalpark Niokolo-Koba. Sie will sich
individuell fit halten und zum Beginn der Feldrunde wieder nach Rüsselsheim
zurückkehren. Im Kampf gegen den Bundesligaabstieg kann eine Eva Frank die
entscheidenden Prozente ausmachen, auch dank ihrer Präsenz neben dem Platz. Ob
es sie dann wieder hinaus in die weite Welt zieht oder der erste Job in
Rhein-Main sein wird? "Ich weiß es wirklich noch nicht", sagt sie.
Unwahrscheinlich,
dass sie gleich wieder monatelang abseits der Zivilisation leben will wie in
Senegal. Einmal im Monat sei sie für Einkäufe die drei Stunden in die nächste
Stadt gefahren. "Es war eine großartige Erfahrung und hatte viel mit Verzicht zu
tun", sagt sie. Und auf Hockey verzichtet Eva Frank nur äußerst ungern.
Das Interview
führte Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 30. Dezember 2014)
Nach einem guten
halben Jahr im Senegal ist Eva Frank am 15. Dezember auf dem
Rhein-Main-Flughafen gelandet. Die 25 Jahre alte Spielführerin des
Hockey-Bundesligisten Rüsselsheimer RK und angehende Diplom-Biologin hat in
Westafrika ein Studienprojekt im Rahmen ihrer Abschlussarbeit an der Mainzer
Johannes-Gutenberg-Universität betreut. Über die Zeit in einer anderen Welt und
die Rückkehr an Rhein und Main kurz vor Weihnachten haben wir mit der 31-maligen
A-Nationalspielerin gesprochen.
Frau Frank, wie
war es, nach rund sechs Monaten im Senegal in Mainz über den Weihnachtsmarkt zu
schlendern?
Es war schon
ziemlich seltsam und ich war mit allem etwas überfordert. Man wird schon in eine
andere Welt geworfen, in der ich mich erst mal wieder zurechtfinden musste.
Kann man sagen,
Sie haben sich sehr auf zu Hause gefreut oder wären Sie gerne noch im Warmen
geblieben?
Ja, ich habe mich
schon sehr auf zu Hause und meine Freunde und Familie gefreut. Allerdings
vermisse ich den Senegal und die Menschen, die ich dort getroffen habe, auch
schon wieder. Und natürlich auch das warme Wetter. An den Dauernieselregen bei
sechs Grad muss man sich erst mal gewöhnen.
Haben Sie viel
gesehen und unternommen oder hat Ihr Studienprojekt in Westafrika kaum Zeit für
Privates gelassen?
Im Dschungel Senegals "ihren" Äffchen zum
Teil sehr nahe gekommen: RRK-Hockeyspielerin Eva Frank hat mehr als ein
halbes Jahr aus Studiengründen in Westafrika verbracht. |
Während meiner
Arbeit habe ich nicht viel Zeit gehabt, Dinge zu unternehmen. Im Nationalpark
durften wir uns auch gar nicht alleine vom Camp wegbewegen. Allerdings habe ich
mir meine letzten zwei Wochen im Senegal freigenommen und bin noch ein bisschen
reisen gegangen. So habe ich die Möglichkeit gehabt, noch einmal einen anderen
Teil des Landes und auch eine andere Ethnie kennenzulernen. Das war sehr
spannend.
Lässt sich auch
für Laien kurz erläutern, woran Sie gearbeitet haben?
Das deutsche
Primatenzentrum hat eine Feldforschungsstation im Niokolo-Koba-Nationalpark, an
der an Guineapavianen und Grünen Meerkatzen geforscht wird, die dort in freier
Wildbahn leben. Ich habe das Sozialverhalten der Guineapaviane untersucht. Im
Speziellen habe ich für mein Projekt Daten über den Einfluss der Jungtiere auf
das Sozialverhalten innerhalb der Gruppe gesammelt.
Der
Rüsselsheimer RK hat seine Spielführerin in den vergangenen Monaten sehr
vermisst. Wie eng war der Kontakt?
Leider nicht sehr
eng. Wir hatten im Camp nur gelegentlich die Möglichkeit, das Internet zu
nutzen. Ab und zu habe ich den Mädels eine Nachricht zukommen oder Grüße
ausrichten lassen. Über die Ergebnisse habe ich mich natürlich informiert und
habe immer die Daumen gedrückt, wenn ich mit den Affen im Wald unterwegs war und
die Mädels zeitgleich auf dem Platz standen.
In Ihrer
Abwesenheit fiel die Verpflichtung des neuen Cheftrainers Maciej Matuszynski.
Hatten Sie schon Gelegenheit, sich zu beschnuppern?
Auch dazu hatte ich
bisher leider nicht die Möglichkeit. Aber ich freue mich, ihn im neuen Jahr
endlich kennenzulernen.
Im Freien sieht
es so aus, als stünde dem RRK ein harter Bundesliga-Abstiegskampf bevor. Fühlen
Sie sich fit genug, um Anfang Januar schon in der Halle wieder einzusteigen oder
planen Sie Ihr sportliches Comeback eher im Frühjahr?
Ich hatte
eigentlich damit geplant, im Frühjahr wieder einzusteigen. Aber zurzeit sieht es
wohl danach aus, dass ich auch schon in der Halle bei dem einen oder anderen
Spiel mit dabei bin. Christian (Co-Trainer Christian Zimmermann) und die Mädels
hatten mich gefragt, da habe ich mich sehr gefreut und natürlich ja gesagt.
Hatten Sie im
Senegal Gelegenheit, Sport zu treiben oder sogar Hockey zu spielen?
Also Hockey kennt
dort unten niemand. Wenn ich davon erzählt habe, habe ich immer in fragende
Gesichter geschaut. Die Möglichkeiten, Sport zu treiben, hielten sich auch in
Grenzen. Mehr als 300 Meter durften wir uns nicht alleine vom Camp wegbewegen.
Aber um das Camp herum gab es eine kleine Joggingrunde, auf die ich mich ab und
zu begeben habe. Außerdem haben mich meine Äffchen auch ganz gut auf Trab
gehalten. 20 bis 25 Kilometer zu Fuß bei sengender Hitze durch dichtes Gebüsch
oder tiefen Matsch waren keine Seltenheit.
Waren in der
Region, in der Sie gelebt oder gearbeitet haben, Flüchtlinge ein Thema?
Nein, so direkt war
das kein Thema. Natürlich ist mir die Problematik bewusst gewesen, und wenn man
in Dakar die kleinen Holzpirogen am Strand hat liegen sehen und sich dann
vorgestellt hat, dass damit oder ähnlichen Booten massenweise Menschen über den
Atlantik transportiert werden, wurde einem schon anders zumute.
Die
durchschnittliche Lebenserwartung eines Mannes im Senegal liegt bei etwa 55
Jahren. Wie krass ist es, aus einem solchen Land in den deutschen
Weihnachtstrubel mit Lichtern, Geschenkekauf und kulinarischem Überfluss
zurückzukehren?
Ziemlich krass. Den
Luxus, den wir hier genießen dürfen, kann man sich da unten gar nicht
vorstellen. Nach so einer intensiven Zeit lernt man erst mal richtig zu
schätzen, was man hier hat. Es regt zum Denken an und verändert nachhaltig die
Sicht auf bestimmte Dinge im Leben.
Wie hätte
Weihnachten im Senegal ausgesehen?
Da die Bevölkerung
überwiegend muslimisch ist, hat man von Weihnachten nicht sehr viel gespürt.
Vereinzelt habe ich mal einen übermäßig dekorierten, bunt blinkenden
Weihnachtsbaum in einem der westlichen Geschäfte oder Restaurants stehen sehen.
Die Christen, mit denen ich mich über Weihnachten unterhalten habe, haben mir
aber erzählt, dass sich die ganze Familie an Heiligabend zu einem Abendessen
trifft und auch das Haus würde wohl etwas geschmückt werden. Also so ähnlich wie
bei uns, aber gleichzeitig wahrscheinlich auch ganz anders.
Gibt es in Ihrer
Afrika-Zeit irgendetwas, an das Sie sich besonders gerne und bleibend erinnern
werden?
Ja, sehr viele
Dinge. Besonders in Erinnerung bleiben werden mir zum Beispiel die Situationen,
in denen ich mein erlerntes Wolor anwenden konnte, welches ich neben Französisch
auch ein bisschen versucht habe, zu sprechen. Das hat die Menschen dort immer
sehr gefreut und man hat gleich ein Stück mehr dazugehört.