Von Alex Westhoff
(aus "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" vom 19. Januar 2014)
Bleibt der Makel?
Wird sie das Gefühl noch loswerden, dass ihre Hockey-Karriere irgendwie
unvollendet ist? Eva Frank ist 25 Jahre alt, seit über vier Jahren schon
Kapitänin der Bundesligamannschaft des Rüsselsheimer RK. Sie ist weit mehr als
nur eine Leistungsträgerin, sie ist dank ihrer herausgehobenen Klasse Herz,
Seele, Kopf und Motor des RRK-Spiels zugleich. "Eva ist eine absolute Leitfigur,
ein Vorbild an Engagement und Leistungsbereitschaft", sagt Trainer Florian
Westermann.
Nun dürfte die
technisch und athletisch starke Eva Frank als Führungskraft eines Klubs, der
sich in Halle und Feld beständig im Vorderfeld der Bundesliga aufhält, auch für
die Nationalmannschaft von Wert sein. Doch ist die Beziehung zwischen der
gebürtigen Rüsselsheimerin und der Auswahl des Deutschen Hockey-Bundes eine
schwierige Angelegenheit. "Ich versuche immer Fuß zu fassen und mich zu
etablieren. Aber ich war noch nie richtig dabei", sagt Eva Frank ohne Bitterkeit
in der Stimme. Sie sucht die Gründe dafür bei sich und ihrem Auftreten und ihren
Leistungen im Kreise von Deutschlands Besten. Sie hat zwar schon 31 Länderspiele
auf dem Feld absolviert. Doch waren dies meistens Testspiele im Rahmen von
Lehrgängen. Für den Sprung in den Kader für ein Großereignis wie EM, WM oder gar
Olympische Spiele hat es nie gereicht.
Im Spätherbst des
vergangenen Jahres wurde Eva Frank immerhin ins Aufgebot des
Weltliga-Finalturniers in Argentinien berufen. Eine neue Chance, eine gute
Plattform, um sich dem Bundestrainer zu präsentieren und für das WM-Jahr 2014 zu
empfehlen. Doch das Turnier lief für das deutsche Team mit der auf ungewohnter
Stürmerposition aufgebotenen Eva Frank enttäuschend: Platz sieben von acht
Mannschaften. "Das ist nicht so glücklich, nicht so erfolgreich gelaufen", sagt
die Hessin. Kurz darauf erhielt sie die Nachricht, dass sie bei der WM im Sommer
in Den Haag nicht mit von der Partie sein wird.
"Ich hoffe nicht,
dass es dies für mich gewesen ist in Sachen Nationalmannschaft − obwohl es noch
gar nicht richtig angefangen hat", sagt die Biologiestudentin. Denn in ihrem nun
angebrochenen letzten Studienjahr in Mainz, in dem Abschlussprüfungen und
Diplomarbeit anstehen, werde sie erstmals seit Jahren Hockey nicht mehr die
erste Priorität im Leben einräumen können. So wie sie es all die Jahre getan
hat. Und die Entwicklung im Leistungs-Hockey zeigt, dass die A-Kader-Spieler
nach Ende des Studiums und beim Übergang in die Berufswelt den immensen (Trainings-)Aufwand
nicht mehr leisten können − und zurücktreten. Dann blieben die beiden
olympischen Silbermedaillen ihres Vaters Tobias, der diese als Torhüter der
deutschen Mannschaft 1984 und 1988 errang, das einzige Edelmetall im Haus Frank.
Im nächsten Jahr
könnte dann aus beruflichen Gründen auch das bislang Undenkbare denkbar sein:
dass Eva Frank ("Ich hänge sehr an dem Verein") den Rüsselsheimer RK verlassen
könnte, ihren Heimatklub, in dem sie als Fünfjährige erstmals mit Schläger und
Ball in Berührung gekommen ist. In den vergangenen Jahren hat sie viele ihrer
stärksten Mitspielerinnen den Klub verlassen sehen, hin zu größeren Adressen.
Sie blieb, als die große Konstante des RRK-Spiels der vergangenen Jahre. Und
half Jahr für Jahr mit, die aus der Jugend aufrückenden, unerfahrenen
Newcomerinnen auf Bundesliganiveau zu bringen. Wie auch in dieser
Hallenspielzeit, in der die RRK-Damen frühzeitig den Klassenverbleib schafften.
Nach ihrer Rückkehr von dem unerquicklichen Feldhockey-Trip nach Argentinien
konnte Eva Frank vor Saisonstart nur an einer Hallenhockey-Einheit teilnehmen.
Und das, obwohl in deutschen Hockey-Landen in der Vorbereitung überall nach
Antworten auf die tiefgreifende Reform gesucht wurde, wie taktisch auf die
Verringerung von fünf auf vier Feldspielerinnen zu reagieren sei. "Das war ganz
schön krass für den Kopf", sagt Eva Frank. Was sie nicht davon abhielt, mit 16
Saisontreffern das Saisonziel quasi im Alleingang herauszuschießen.
"Das", sagt sie,
"hat mich selbst ein bisschen gewundert." Denn gehandicapt durch eine
Sehnenscheidenentzündung im Arm und eine Kapselverletzung im Fuß, hat sie quasi
nur gespielt und kaum trainieren können. Nach diesem Sonntag, nach dem letzten
Spieltag der Hallenrunde − dem Heimspiel gegen den Münchner SC − hat Eva Frank
erstmals seit Monaten ein paar Wochen hockeyfrei. Am gestrigen Samstag haben die
Rüsselsheimerinnen aber erst mal beim Mannheimer HC 0:8 verloren.