WINTERBERG Ausgeheckt wurde der Plan
im "Club der Besten" bei den Olympischen Spielen. Was sich erst anhörte wie eine
Schnapsidee, ist am Wochenende nun Wirklichkeit geworden. Sieben
Weltklasse-Athleten aus den unterschiedlichsten Disziplinen begaben sich auf die
"Tour der Leidenschaft", um die Sportarten der anderen auszuprobieren. Los ging
es mit Skeleton. Den Sprung in den Winterberger Eiskanal wagten auch
Gold-Trampolinerin Anna Dogonadze (MTV Bad Kreuznach) und Hockey-Olympiasiegerin
Denise Klecker vom Rüsselsheimer Ruder-Klub (RRK).
"Eine einmalige Sache", schwärmt
Klecker nach der eisigen Fahrt. "Das war richtig gut, ein absolutes Erlebnis."
Wie ihre "Leidensgenossen" saß die ehemalige Hockey-Nationalspielerin, die ihre
internationale Karriere nach der Goldmedaille in Athen beendet hat, zum ersten
Mal in dem Sportrennschlitten. Kopfüber auf dem Bauch liegend ging es im
Affenzahn die sauerländische Bobbahn hinunter. Ein mulmiges Gefühl? "Schon",
sagt Klecker. "Wir hatten alle Respekt, weil wir fast auf 100 Stundenkilometer
gekommen sind. Aber wenn man sich ruhig verhält, passiert nichts..." Die
32-Jährige benötigte für die Strecke 55 Sekunden. "Und die können lang sein",
urteilt Klecker. "Ich würde das vielleicht noch einmal machen - obwohl ich kein
Freund von absoluter Geschwindigkeit bin."
Wem die Knie am meisten geschlottert
haben, konnte Denise Klecker nicht genau sagen. "Aufgeregt waren wir alle" -
klar, schließlich war es für alle eine sportliche Premiere. Und sie ging bei
allen gut, niemand fiel vom Schlitten, jeder kam heil an. "Manche haben
allerdings ein paar blaue Flecken", erzählt Klecker - froh darüber, dass sie
selbst auf der kurvenreichen Strecke nicht aneckte.
"Die Anfangskurve und der Kreisel
waren noch ganz entspannt", beschreibt Klecker die rasante Fahrt. "Das war gar
nicht so schlimm. Aber dann ging es richtig abwärts. Wahnsinn, man hat nur
Bruchteile von Sekunden um zu reagieren und wird richtig auf das Brett gepresst.
Man versucht sich auf dem Schlitten zu halten und denkt: O Gott! Irgendwann
kommt die Ziellinie. Da hatte ich das Gefühl, ganz blau zu sein, weil ich am
Schluss nicht mehr atmen konnte. Die Anna hat ja nur geschrieen..."
Dogonadze hatte am Vorabend noch
einen Bundesliga-Wettkampf im Trampolin absolviert und beim Sportpresseball in
Frankfurt gefeiert, ehe sie von Skeleton-Ass Kerstin Jürgens eingewiesen wurde.
Die Gastgeberin erklärte, dass man auf keinen Fall die Hände nach vorne nehmen
darf. Statt dessen sei es wichtig, mit dem Körper ein wenig zu lenken. "Das
letzte Mal bin ich als kleines Kind mit dem Schlitten den Berg runtergerutscht",
lächelte Dogonadze. Ein TV-Team vom SWR wollte ihr noch eine Kamera umbinden.
Doch das wäre zu gefährlich gewesen. "Die Strecke war richtig schnell", sagte
die Trampolinturnerin. "Besonders die eine Kurve - da habe ich Angst bekommen."
Für die 31-Jährige steht fest: "Ich bleibe solange beim Trampolin, wie es geht."
Auch Denise Klecker ließ durchblicken, dass sie sich mit dem Skeleton "nicht so
wirklich" anfreunden kann.
Wann die "Tour der Leidenschaft"
weiter geht, ist noch nicht raus. Die Terminsuche gestaltet sich schwierig.
"Jeder hat eine andere Saisonplanung", weiß Klecker. "Es ist schwer, alle
zusammen zu bekommen." Eines stellt sie allerdings fest: Die gefährlichste
Etappe dieser Tour liegt bereits hinter ihr.
Spitzenathleten gehen in der
Bobbahn fremd / Tour der Leiden(-schaft) startet mit Mutprobe beim Skeleton
Von Katja Sturm
(aus "Frankfurter Rundschau vom 09.10.2004)
Die Faszination der eigenen Leidenschaft in passende Worte zu kleiden, fällt oft
schwer. Wie soll eine Trampolinturnerin einem Außenstehenden erklären, was sie
empfindet, wenn sie sich mehrere Meter über dem Tuch gekonnt um ihre
Körperachsen dreht, wie eine Skeleton-Fahrerin begreifbar machen, was sie dazu
treibt, sich mit dem Kopf voran einen Eiskanal hinunterzustürzen ? Wer solches
nicht selbst einmal ausprobiert hat, wird es kaum nachempfinden können.
Doch was hindert den Mutigen, seine Neugier zu befriedigen? Nichts, dachten sich
sieben deutsche Spitzenathleten, darunter Olympiasieger und -medaillengewinner,
die vor sechs Wochen im Club der Besten auf dem griechischen Peloponnes
zusammentrafen und dort
in einer langen und feuchten Nacht Pläne schmiedeten. Die Tour der
Leiden(-schaft) war entstanden, eine Serie an Treffen, bei denen Fechterin
Claudia Bokel, Hockeyspielerin Denise Klecker, Ringer Alexander Leipold, Ruderin
Meike Evers, Schütze Christian Lusch, Skeletonfahrerin Kerstin Jürgens und
Trampolinturnerin Anna Dogonadze nicht nur einander bei Wettkämpfen zusehen,
sondern auch die Disziplinen der anderen ausprobieren wollen.
Nur für Mutige
Erste Station war am Wochenende das sauerländische Winterberg, genauer die dort
angesiedelte Bobbahn, die es, nach einer gekonnten Vorführung von Gastgeberin
Kerstin Jürgens in der Weltcup-Qualifikation am Vormittag - sie wurde Dritte -,
selbst hinunterzuschießen galt. Oder besser zu rutschen, wie die
WM-Bronzemedaillengewinnerin nach dem Experiment betonte, "denn das war ja noch
nicht Skeletonfahren". Dennoch, Hasenfüße waren fehl am Platz. Auch wenn ein
paar der anwesenden Einheimischen gleich mal einwandten, dass mit dem Kopf nach
unten doch die ursprüngliche Variante des Rodelns sei und man es im Sauerland
sowieso nie anders mache. Vielleicht auch deshalb lautete Jürgens' trockene
Antwort auf die Frage nach der speziellen Vorbereitung: "Die wissen das doch
seit drei Wochen", das reiche. Eine Bahnbegehung fand trotzdem statt, und danach
war zumindest Claudia Bokel, die zuvor "richtig Schiss" hatte, ein wenig wohler
zumute. Als während des Probeliegens unterhalb des so genannten Frauenstarts ein
Bob vorbeiraste, war die schlagfertige Degenfechterin denn auch schon wieder in
Lästerlaune: "Die sind ja langsam, bei uns wird es hoffentlich viel schneller !"
Das wurde es zwar nicht, aber auf 80 bis 100 Stundenkilometer schätzte Jürgens
die Geschwindigkeit schon, mit der anschließend alle sieben Tour-Teilnehmer,
begleitet von den eigenen Begeisterungs- und Angstschreien, die Piste
runterbretterten. Ruder-Goldmedaillengewinnerin Meike Evers wurde sogleich als
Talent geoutet, "die lag ganz ruhig" und knockte auch nicht seitlich an der Bahn
an, stellte Gerhard Schmidt, ein Betreuer der mitveranstaltenden RSG
Hochsauerland, am Ziel fest. Typisch Frau, die Männer seien meist zu unruhig bei
ihren ersten Skeleton-Versuchen.
Einmal reicht
Heil unten an kamen die Athleten dennoch alle, auch wenn der eine oder die
andere während der knapp einminütigen Fahrt sichtbar an Farbe verloren hatte.
Und nur die den Hallen- und Sommersportlern ungewohnte Kälte hinderte sie an
weiteren Versuchen auf der Winterberger Bahn. Bis auf Hockey-Olympiasiegerin
Denise Klecker, der eine Fahrt reichte. "Ich bin jemand, der Geschwindigkeit
gerne kontrolliert", sagte die Rüsselsheimerin, "aber das ging irgendwann nicht
mehr. Das geht so schnell und kommt einem doch so lang vor." Doch "absteigen
geht ja nicht", fügte die ehemalige Eisschnellläuferin Stefanie Teeuwen hinzu.
Zum Aufwärmen und Blaue-Flecken-Zählen ging es anschließend samt Freunden und
Bekannten ins Starthäuschen. Und zum Vereinbaren weiterer Termine, denn
natürlich soll die bereits von Sponsoren und der Sporthilfe unterstützte Tour
trotz voller Terminkalender baldmöglichst weitergehen. Nicht nur, weil sie den
Sportlern Spaß macht, sie bringe ja auch "die Randsportarten in die Medien",
sagte Teeuwen. Für deren Vertreter, so Rudertrainer Thorsten Schulte-Günne, gebe
es schließlich ja nur zwei Möglichkeiten, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen:
"Sich ausziehen oder was Skurriles machen."
"Tour der
Leidenschaften" macht Station beim MTV Bad Kreuznach
Anna Dogonadze
schickt Olympiateilnehmer aufs Trampolin - Leipold gut in Form
Von Tina Eckes (aus "Öffentlicher
Anzeiger" vom 29.03.2005)
Spiel, Spaß, Salti und Schokolade: Die Trampolinabteilung des MTV
Bad Kreuznach empfing ihre Gäste bei der "Tour der Leidenschaften" mit einem
Überraschungs-Wohlfühl-Programm. Olympiasiegerin Anna Dogonadze und ihre
MTV-Teamkollegen führten zahlreiche Olympioniken in die Kunst des
Trampolinturnens ein.
Alexander Leipold
nimmt Mariam, Anna Dogonadzes Tochter, huckepack und hüpft mit ihr auf dem
Trampolin herum. Der Ringer scheint bei der "Tour der Leidenschaften", die beim
MTV Bad Kreuznach Station machte, eine neue Passion entdeckt zu haben:
Trampolinturnen.
Pausenlos
sprang Leipold auf dem federnden Tuch herum. Hocke, Grätsche, Drehung - für den
sympathischen Sportler kein Problem. Selbst einen Doppelsalto schaffte er an der
Bungee-Longe mühelos. Erst zwei Tage zuvor hatte der MTV die Longe in Betrieb
genommen, an der die Turner an Seilen gesichert Überschläge üben können. Doch
auch ohne Hilfestellung gelang Leipold ein Salto nach dem anderen. "Das hat
richtig Spaß gemacht. Bei den sechsjährigen Turnern könnte ich mitmachen",
schmunzelte der frühere Weltklasseringer. Am Ende des Trampolin- Schnupperkurses
war der Pfälzer so weit, dass er die L3 nahezu perfekt vorturnen konnte. Der
Applaus seiner Mitstreiter war Leipold gewiss.
Zehn Olympiateilnehmer
und Medaillengewinner, darunter die Olympiasiegerinnen Meike Evers (Rudern) und
Denise Klecker (Hockey) tummelten sich im Leistungszentrum in den Rose Barracks
auf den Geräten. Anna Dogonadze und Weltmeister Henrik Stehlik, unterstützt von
den MTV-Höhenfliegern, gaben ihren "Schülern" Tipps und zeigten ihr Können. "Das
ist Wahnsinn, was die machen", staunte Claudia Bokel, die mit der
Degenmannschaft in Athen Silber gewonnen hatte.
Die Idee zur "Tour der
Leidenschaften" entstand aus einer Weinlaune heraus. Im "Club der Besten" saßen
die Olympioniken in Griechenland zusammen und plauderten bei einem Glas Wein
über ihre Sportarten. Spontan entschieden sie, die verschiedenen Disziplinen
auszuprobieren.
"Das größte Problem ist, Termine zu finden", erklärte Claudia Bokel. Bisher
versuchten sich die mutigen Olympioniken im Skeleton unter der Anleitung von
Kerstin Jürgens, die sich auf dem Trampolin jedoch nicht so sicher fühlte wie im
Eiskanal. "Ich hatte anfangs ganz schön weiche Knie", verriet sie. Ganz anders
Britta Näpel. Die Reiterin, die sich bei den Paralympics mit dem Team die
Silbermedaille gesichert hatte, machte Parallelen zwischen den beiden Sportarten
aus. "Wer sich auf einem buckelnden Pferd halten kann, dem ist das hier recht
vertraut", berichtete die Wonsheimerin. In den nächsten Monaten wollen sich die
Olympiateilnehmer auch im Fechten, Ringen, Rudern, Schießen und im Hockey
versuchen. Für ihren Auftritt auf dem Trampolin erhielten die Olympioniken schon
einmal Bestnoten von der Fachfrau. "Alle haben Talent", resümierte Anna
Dogonadze. Doch eine Verpflichtung im MTV-Team lehnten alle dankend ab.
Anfangs sind weiche Knie ganz
normal
Olympische Medaillengewinner
testen Anna Dogonadzes Trampolin / Gar nicht so einfach
Von Heidi Sturm (aus "Allgemeine
Zeitung" vom 26.03.2005)
"Welcome to Bad Kreuznach",
begrüßte MTV-Ehrenvorsitzender "Papa" Peter Gehrke voller Stolz die zahlreichen
erfolgreichen Olympioniken zur "Tour der Leidenschaften" im "sportlichen
Zuhause" von Olympiasiegerin Anna Dogonadze.
Diese Tour ist ein Treffen aktueller
und ehemaliger Medaillengewinner, die einmal die Disziplinen der anderen
Sportler ausprobieren möchten. Nach dem Auftakt beim Skeleton in Winterberg
lockte nun bei der zweiten Etappe Trampolin im Bad Kreuznacher Bundesstützpunkt.
Nach einer Trainingsstunde mit
anfangs weichen Knien hatten die Gäste die Hemmungen vor dem schwankenden Tuch
verloren und turnten sichtlich begeistert auf den vier Geräten herum: Da wurde
voll Übermut kreuz und quer durcheinander gepurzelt, gemeinsam im Huckepack
gehüpft, auf mehreren Geräten Vierer-Synchron gesprungen oder mit
Hilfestellungen der Bundesligaturner der Salto rückwärts geübt. "Die beherrschen
jetzt alle die M1", strahlte Sportdezernentin Martina Hassel über den Feuereifer
der Gäste, die durch die Bank die Sprünge für eine einfache Kür erlernt hatten.
"Alexander Leipold schafft sogar die
M3", ergänzte fachmännisch Hassels Filius Jannis, der selbst einmal
Kadermitglied war. Den Beweis für sein neu erworbenes Können trat der
erfolgreiche Freistilringer auch gleich an und präsentierte unter Applaus die
Kür mit Sitz, Stand, Hocke und Grätsche in verschiedenen Variationen. Zuvor
hatte er mit Sicherung bereits einen zweifachen Salto rückwärts gewagt. "Den
behalten wir," lachte Anna Dogonadze und attestierte ihm beachtliches Talent.
Vor den Erfolg hatten die Olympia-Götter Herzklopfen gesetzt, denn auch für
Leistungssportler war das Hineinschnuppern in die fremde Disziplin nicht einfach
- so gab es bei den ersten Sprüngen entsetzte "Kreischer" über die unerwartete
Höhe.
Gesichert durch die Seile der "Bungee-Lounge"
und das Gegengewicht von Dimitri Mutzenberger, Martin Gromoswki und Christof
Emmes, ging Kerstin Jürgens als Erste auf "Tuchfühlung" und ließ sich sogar zum
Salto verleiten. "Ganz schön hoch - aber eine tolle Erfahrung, bei der man über
seine selbst gesetzten Grenzen hinaus geht", bilanzierte die Skeleton-Pilotin
nach den Adrenalinstößen. "Man gewinnt nicht einfach Gold, wenn man sich auf das
Tuch stellt", war auch Hockey-Olympiasiegerin Denise Klecker beeindruckt von den
hohen Anforderungen des Trampolinsports.
Mit "Galgenhumor" nahm Britta Näpel
ihren luftigen Ausflug: "Von wem sind die Anschlaglöcher in der Decke",
frotzelte die Paralympics-Teilnehmerin mit bangem Blick nach oben und erkundigte
sich vorsorglich nach dem Roten Kreuz ... Zum Schluss waren sich Aktive und
Zuschauer einig, dass die Trainingseinheit "Riesenspaß gemacht" hatte.