tag. - Es ist etwas ganz
Besonderes und doch wird es lokal kaum mehr wahrgenommen: Drei
RRK-Hockeyspielerinnen und ebenso viele Spieler, dazu Damen-Bundestrainer Berti
Rauth, reisen Mitte dieser Woche nach Sydney, nehmen an den Olympischen
Sommerspielen teil. Aber es ist eben auch längst nichts Ungewöhnliches mehr,
denn der Ruder-Klub wusste sich an der Spitze immer schon recht gut zu
behaupten. Besonders hervorzuheben bleibt jedoch, dass die Opelstadt bereits zum
zweiten Mal das größte Kontingent in den beiden Auswahlen des Deutschen
Hockey-Bundes (DHB) stellen kann.
Denise Klecker, Tanja
Dickenscheid und Friederike Barth, dazu Björn Emmerling, Oliver Domke sowie
Christopher Reitz - sie alle wurden am Freitagabend im RRK-Vereinsheim
"Bootshaus" mit den besten Wünschen von der Abteilungsleitung verabschiedet.
Dickenscheid und Reitz sind sogar schon zum dritten Mal hintereinander dabei und
brachten 1992 aus Barcelona Gold und Silber mit nach Hause.
Bundestrainer Berti
Rauth gab vor Ort einen Stimmungsbericht ab: Trotz hohen Drucks überwiege
momentan die Motivation, so sein zuversichtliches Resümee. Man habe auf jeden
Fall mehr Lust zu gewinnen als Angst zu verlieren. Soviel Zuversicht kommt
natürlich nicht von Ungefähr; beispielsweise, so Rauth, sei das verlorene
Europameisterschaftsfinale ein großer Pluspunkt gewesen. Das Team musste zwar in
ein Qualifikationsturnier gehen, letztlich jedoch habe man durch diesen
Härtetest die beste Vorbereitung für die Begegnungen in Australien gehabt.
Wenn Rauth sich auf den
schwankenden Pfad von Platzierungsprognosen begibt, so sieht er an der Spitze
Weltmeister Australien, gefolgt von den Niederländerinnen. Dahinter sieht er
eine Gruppe aus fünf Nationen, zu denen er auch Deutschland zählt.
Ausschlaggebend sei aber ganz klar die Tagesform. Zudem habe die Erfahrung
wiederholt gezeigt, dass man gegen die Weltspitze stets immer auch eine Chance
habe.
Acht Partien in 14 Tagen
Rüsselsheimer Hockey-Ladies Tanja
Dickenscheid, Denise Klecker und Friederike Barth erwarten hartes
Programm
Von
Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom
13.09.2000)
F
ußballprofis
würde ein solches Programm niemals zugemutet. Acht Spiele wird der
Olympiasieger 2000 im Damenhockey in maximal 14 Tagen bestritten haben. Und das,
obwohl das "schwache Geschlecht" auf dem Weg zur Gleichberechtigung mit den
männlichen Kollegen und allen anderen Ballsportarten in Sydney nur einen Schritt
weiter gekommen ist. Nachdem das olympische Damenturnier bislang lediglich acht
Ländern offen stand, sind in Australien erstmals zehn Teams am Start. Doch
während die Männermannschaften weiterhin im Dutzend, aber maximal sieben Mal die
gekrümmten Holzschläger schwingen, wird den Damen eine Partie mehr abverlangt.
Nach jeweils vier Spielen treffen die drei Erstplatzierten aus den beiden
Vorrundengruppen im so genannten Medaillenpool aufeinander. Nach Abschluss
dieser Begegnungen machen der Tabellenerste und -zweite Gold und Silber
untereinander aus, die Dritt- und Viertplatzierten kämpfen um die
Bronzemedaille.
Eine Vorgabe, die nicht überall
Zustimmung erfährt. "Das ist schon doof, dass es bei so einem Turnier kein
Halbfinale mehr gibt", befindet Tanja Dickenscheid. Die laufstarke
Mittelfeldspielerin ist die Einzige aus dem nominierten Trio des Rüsselsheimer
RK, die somit bei ihrer dritten Olympiateilnahme hintereinander das dritte
Wertungssystem erlebt. "Okay, vielleicht ist es gerechter, dass jetzt gegen alle
gespielt werden muss. Aber das Ganze ist einfach schwer durchschaubar. Und es
ist kaum vorstellbar, dass im achten Spiel noch gutes Niveau geboten wird", sagt
die 31 Jahre alte Silbermedaillengewinnerin von 1992, für die 183 Länderspiele
und 31 Treffer zu Buche stehen.
Sollte
es in Australien nun noch einmal zu Edelmetall reichen, würde die frühere
Gau-Algesheimerin ("Im Herzen bin ich immer noch dort zu Hause") das jedenfalls
höher bewerten. Verständlich, denn nach Abschluss ihres Studiums geht die
Diplom-Biologin sozusagen aus dem Labor direkt auf den Platz. "Genau diese
Doppelbelastung war für mich die Herausforderung, den Aufwand noch 'mal zu
betreiben", so Tanja Dickenscheid, die unter anderem ihren Jahresurlaub
komplett geopfert hat.
Die werbenden Worte des
Bundestrainers und einiger Mitspielerinnen, insbesondere aber die Unterstützung
ihrer Arbeitskollegen ("Die wollen sich während des Turniers einen Fernseher ins
Büro stellen") seien die Grundvoraussetzung dafür gewesen, nach der durch den
Berufseinstieg bedingten Länderspielpause Anfang des Jahres überhaupt in den
Kreis des Nationalteams zurückzukehren. Da danach aber- zumindest international
- endgültig Schluss sein soll, sei es für sie "relativ wichtig, dass wir dort
ordentlich spielen. Zumal wir die angenehmere Gruppe erwischt haben".
Während es für Tanja Dickenscheid
kein Problem ist, aufgrund des ersten Pflichttermins die Eröffnungsfeier zu
verpassen, zeigt sie Verständnis für ihre beiden Mitstreiterinnen vom RRK. "Für
die, die das erste Mal dabei sind, ist das schon sehr schade. Denn das ist schon
ein überwältigendes Gefühl", sagt die zweitälteste Spielerin im Kader. Und
Denise Klecker etwa hält mit ihrer Meinung in diesem Punkt auch
nicht hinterm Berg: "Ich bedauere das sehr", bekennt die waschechte Mainzerin,
ohne sich dadurch aber die Vorfreude auf ihre ersten OIympischen Spiele rauben
zu lassen. "Ich hoffe halt auf die Abschiedsfeier", so die 28 Jahre alte
Diplom-Sonderpädagogin, die sich auf Jobsuche befindet. "Da ich ein
heimatverbundener Typ bin, würde ich gerne hier bleiben", verrät die
Abwehrspezialistin, die einst als Stürmerin beim TSV Schott Mainz agierte.
Dass sie sich zurzeit
rundum wohl fühlt - der Schulterpolster im Ausgehanzug war sie bereits am Abend
des Einkleidungstages ("Das war ganz witzig und aufregend") mit Nadel und Zwirn
auf die Pelle gerückt - hat mehrere Gründe. Einmal war sie vor vier Jahren spät
aus dem Atlantakader gestrichen worden ("Danach bin ich nach Südafrika gefahren
und habe nicht eine Minute Hockey im Fernsehen geschaut"), zum anderen habe sie
ihre Knieprobleme im Griff. Deshalb sei es ihr auch möglich gewesen, nach der
bitteren EM-Erfahrung vor einem Jahr in Köln, wo sie nicht eine Minute gespielt
hatte, pro Woche zwei bis drei zusätzliche Trainingseinheiten zu absolvieren.
Ein Aufwand, der sich
spätestens beim olympischen Qualifikationsturnier im März in England bezahlt
gemacht hat. "Da habe ich ich mich auch als Strafeckenschützin beim
Bundestrainer profiliert", sagt Denise Klecker. Und nach mittlerweile 16
Toren in 86 Länderspielen habe sie am Ende auch keine Angst mehr gehabt, dass
ihr olympischer Traum sich erneut nicht erfüllen könnte. Natürlich möchte sie
nun liebend gerne auch aufs Treppchen. Aber: "Ich denke, es ist alles möglich.
Und sollte es keine Medaille geben, wäre ich wohl auch nicht unbedingt
enttäuscht. Ich freue mich einfach, dabei sein und eventuell in Sydney auch 'mal
länger am Hafen sitzen zu können".
Ziemlich genau entgegen gesetzt ist
die Formkurve bei Friederike Barth verlaufen. Bei der Europameisterschaft
noch Stammspielerin, musste die 25-jährige lange um ihr erstes Olympiaticket
bangen. "Zwischendurch hatte ich große Sorge", bekennt die Physiotherapeutin,
die vor der Hallenrunde 1990/2000 aus Duisburg zum RRK gekommen war. Der
Versuch, Sport und Berufseinstieg am Rüsselsheimer Krankenhaus unter einen Hut
zu bekommen, schlug fehl. "Ich hab' gedacht, ich schaff' das alles und habe
lange gebraucht, zu erkennen, dass das so einfach nicht zu schaffen ist", sagt
die Hamburger Pastorentochter. Erst als sie im März auf eine halbe Stelle
umstieg, wurden ihre Leistungen wieder besser. Und letztlich half ihr wohl auch
der Umstand, dass sie in den bisherigen 65 Länderspielen gezeigt hat, dass sie
in der Abwehr wie im Mittelfeld eingesetzt werden kann.
Was die Ziele für Sydney betrifft, wo
sie mit der Rekordnationalspielerin und langjährigen RRK-"Gallionsfigur" Britta
Becker das Zimmer teilen wird, gibt sie sich verhalten optimistisch: "Als
WM-Dritter und Vize-Europameister hat man eine reelle Treppchenchance. Zumal wir
athletisch stärker und besser eingespielt sind als bei der Weltmeisterschaft vor
zwei Jahren". Entsprechend steht zu vermuten, dass der Rückflug sich mit einer
Medaille im Gepäck auf jeden Fall leichter ertragen lässt. "Ich habe Flugangst
und bin nach langen Flügen daher ziemlich gebeutelt", bekennt die eifrige
Harry-Potter-Konsumentin. Während sie sich diesem Problem bei einer Entfernung
von rund 16.000 Kilometern schwerlich entziehen kann, dürfte das zumindest bei
einem Teil der Sydneykollektion wohl anders aussehen: "Ehrlich gesagt, den Hut
finde ich ziemlich bekloppt."
Eröffnungsfeier
Sydney 15.09.2000 |
"Wenigstens nicht
Letzter werden"
Nach
dem verpassten Einzug in die Finalrunde sitzt die Enttäuschung bei den
Hockeydamen und Berti Rauth ganz tief
Von Uli Meyer (aus
"Main-Spitze" vom 25.09.2000)
Berti Rauth hat in
seinen 30 Jahren Hockey schon einiges erlebt. Aber was dem Rüsselsheimer Trainer
des deutschen Damen-Nationalteams in Sydney widerfuhr, ist ihm auf den Magen
geschlagen. Statt wie erwartet um die olympischen Medaillen mitzuspielen,
verpasste die Auswahl des Deutschen Hockey-Bundes den Einzug in die Runde der
besten Sechs. Heute geht es in der Platzierungsrunde gegen Südkorea. Der Sieger
spielt am Mittwoch um Platz 7. "Ich will wenigstens nicht Letzter werden", hat
der "sehr enttäuschte" Rauth seine Ziele kräftig zurückgeschraubt.
Der Rüsselsheimer sieht
beim olympischen Hockeyturnier 2000 in einem Maße "Dinge auf den Kopf gestellt",
wie nicht nur er dies vorher kaum ahnen konnte. China und Neuseeland, die im
Damenhockey bislang keine nennenswerten Platzierungen erreichten, ließen in der
Vorrunde überraschend die Rauth-Schützlinge hinter sich, und als es am Freitag
im entscheidenden Spiel um den Einzug in die Endrunde ging, schlug einmal mehr
der deutsche Holland-Komplex zu. In wichtigen Spielen haben die
Niederländerinnen schon seit Jahren stets die Nase vorne. Diesmal reichte ein
2:2, um Deutschland aus dem Rennen zu werfen.
Denise Klecker ist dafür
bekannt, nach sportlichen Rückschlägen bald wieder lächeln zu können. In Sydney
bedurfte es dazu längerer Zeit. Die Verteidigerin vom RRK war gerade im Spiel
gegen die Niederlande zeitweise völlig von der Rolle und durch einen bösen
Schnitzer am Zustandekommen des Tores zum 1:2 beteiligt. Als dann auch ihre
vielgeübten Strafecken nicht funktionierten, war es um die gute Laune der
28-Jährigen geschehen.
RRK-Teamkollegin
Friederike Barth ersetzte Klecker zeitweise auf der rechten Seite und kam in den
anderen Spielen zu gelegentlichen Kurzeinsätzen im Mittelfeld. Eine Großschuld
am deutschen Ausscheiden trug die 25-Jährige nicht, allerdings konnte sie sich
mit ihren Leistungen auch nicht für längere Einsatzzeiten empfehlen.
Die Gesichter sprechen für sich: Britta
Becker und Berti Rauth nach dem Unentschieden gegen die Niederlande, das
nicht zum Einzug in die Finalrunde ausreichte. |
Waren Klecker und Barth
olympische Neulinge, so erlebt Tanja Dickenscheid in Sydney bereits ihre dritten
Spiele. Den Abschluss ihrer internationalen Karriere hatte sie sich wohl anders
vorgestellt. "Wir sind alle ziemlich deprimiert", brachte die 31jährige nach dem
Ausscheiden noch hervor. Selbstkritisch merkte die erfahrenste
RRK-Nationalspielerin an, "dass wir viel zu ängstlich und passiv gespielt haben.
Da hätte gerade von den Älteren mehr kommen müssen."
Tanja Dickenscheid hat
mit diesen Worten wohl auch ihre langjährige Vereinskameradin Britta Becker
eingeschlossen. Die gebürtige Rüsselsheimerin, die seit einem knappen Jahr in
Hamburg wohnt, konnte in Sydney nur selten an frühere Glanzleistungen anknüpfen.
Von ihrer spielgestaltenden Position im zentralen Mittelfeld gingen zu wenige
Impulse aus. Dass die 27jährige ab dem zweiten Spiel mit Bronchitis und Fieber
zu kämpfen hatte, darf als Entschuldigung gelten, ihrem Ruf als
Weltklassespielerin blieb Becker in Sydney aber vieles schuldig. "Dabei haben
wir im Vorfeld so viel gearbeitet wie noch nie zuvor", konnte die deutsche
Rekordnationalspielerin den Misserfolg nicht verstehen. "Vielleicht haben wir in
den zurückliegenden Jahren, speziell mit dem Olympiasilber 1992, unser Glück
schon aufgebraucht. Hier hat es uns jedenfalls total gefehlt." Und irgendwie
schien Becker, die wohl weitermachen wird, ein Dejavu-Erlebnis zu haben: "Vor
zehn Jahren ging es uns an gleicher Stelle nicht anders. Da haben wir bei der WM
in Sydney auch hauchdünn das Halbfinale verpasst und sind dann nur Achter
geworden." Ob es wieder Platz acht wird, wird sich zeigen. Fest steht bereits,
dass es die schlechteste Platzierung einer deutschen Damenhockeymannschaft bei
einem olympischen Turnier sein wird. Zu zwei Silbermedaillen (1984 und 1992)
kamen noch die Plätze fünf (1988) und sechs (1996).
Für gewöhnlich rollen
nach solchen Abstürzen Köpfe, meist die der Trainer. "Wir sind aber nicht beim
Fußball", sagt Christoph Wüterich. Der DHB-Präsident aus Stuttgart steht trotz
der enttäuschenden Platzierung der Damen weiterhin zu seinem Bundestrainer: "Rauth
und der gesamte Trainerstab haben eine Toparbeit geleistet." Freilich musste
auch der Verbandschef feststellen, "dass unsere Mannschaft hier leider nicht das
gebracht hat, was sie bei den letzten großen Turnieren, insbesondere der
Champions Trophy zeigte." Der für den Leistungssport zuständige DHB-Vize Joachim
Hürter verlangt von Rauth ein "schlüssiges Konzept", wie man möglichst bald
wieder in die Weltspitze zurückfindet.
Das allerdings könnte in
der Tat schwer werden. Herausragende Talente gibt es zur Zeit fast nur auf
männlicher Seite. Und durch das Verpassen der Top-Sechs droht dem DHB die
Kürzung der staatlichen Förderung für den weiblichen Bereich. Wie die
Wüterich-Vorgabe, "in Zukunft mehr tun zu müssen", um weiterhin mit dem sich
ständig weiter entwickelnden Weltniveau im Damenbereich mithalten zu können,
dann umgesetzt werden kann, steht völlig in den Sternen. Und ob Berti Rauth
überhaupt selbst noch will? Nach dem 1:2 gegen China stellte er fest: "Wenn
diese asiatischen Profis jetzt auch noch über unsere Erfahrung verfügen, dann
haben wir in Zukunft wohl keine Chance mehr." Da klang viel Resignation mit.
"Mehr verdient gehabt"
Nach 189 Länderspielen ist für Tanja
Dickenscheid international Schluss
Von Uli Meyer (aus
"Main-Spitze" vom 28.09.2000)
Dieser Abschluss stimmte versöhnlich. Die deutschen Hockeydamen gewannen in
Sydney das Spiel um Platz 7 hochverdient 2:0 gegen Großbritannien. Gegen einen
Gegner, der im Vorfeld des olympischen Turniers ebenso wie Deutschland zu den
Medaillenkandidaten gezählt wurde, bot die Auswahl des Deutschen Hockey-Bundes
(DHB) ihre beste Turnierleistung. Und: der Abschlussplatz sichert automatisch
das Startrecht bei der WM 2002. Immerhin.
"Das ist ein Ende mit lachendem und weinendem Auge", sagt Tanja Dickenscheid
vom Rüsselsheimer RK und deutete das zwiespältige Gefühl an, das nicht nur sie
beschäftigt. "Gerade diese letzte Partie hat gezeigt, dass wir es verdient
gehabt hätten, weiter vorne mitzuspielen. Ein verlorenes Spiel hat letztlich
alles kaputt gemacht", erinnert sich Dickenscheid ungern an die schwache
Leistung beim 1:2 gegen China.
Für die Mannschaft sei es sehr schwer gewesen, sich danach noch für die
Platzierungsspiele zu motivieren, gibt die 31-Jährige zu. Um so erfreuter war
sie dann, dass es doch noch geklappt hat und zwei Siege über Südkorea (3:2 nach
Verlängerung) und Großbritannien heraus sprangen. Denn für Dickenscheid war es
nach 189 Länderspielen der letzte Auftritt im Nationaltrikot. "Dass ich
international Schluss mache, habe ich schon vor den Spielen gesagt. Das war auch
völlig unabhängig vom Ausgang des Turniers". Bereut hat sie es nicht, nach eineinhalb Jahren Pause in die Nationalmannschaft zurückzukehren und trotz
Einstieg in das Berufsleben das umfangreiche Vorbreitungsprogramm auf die
Olympischen Spiele fast ohne Abstriche mitzumachen. "Das war kein Fehler; ich
würde es immer wieder tun und bereue nichts", sagte die Diplom-Biologin trotz
der enttäuschenden Sydney-Platzierung.
Mitfühlen konnte Tanja Dickenscheid auch mit ihren RRK-Vereinskollegen
Christopher Reitz, Björn Emmerling und Oliver Domke, die mit den DHB-Herren
unmittelbar vor dem Einzug ins Halbfinale standen und dann überraschend doch
noch scheiterten. "Was hier passierte, ist eine Katastrophe für das deutsche
Hockey", sagt Tanja Dickenscheid, die schon bessere Zeiten erlebt hat. 1992
gewann sie in Barcelona olympisches Silber, doch vier Jahre später war Atlanta
mit Platz 6 schon eine Enttäuschung. "Das waren auch sonst eher magere Spiele im
Vergleich zu Sydney, das von der ganzen Veranstaltung her viel bessere
Bedingungen für uns Sportler bot und insgesamt ein tolles Erlebnis war", so die
dreifache Olympiateilnehmerin. Dennoch wird sie ‒ im Gegensatz zur ihren
aktuellen (Denise Klecker und Friederike Barth) und früheren (Britta Becker)
RRK-Mitstreiterinnen ‒ schon einen Tag vor der Schlussfeier am Samstag im
Flugzeug sitzen. Warum: "Damit ich am Montag ganz normal arbeiten gehen kann."
Nachgefragt bei ...
Tanja Dickenscheid (Rüsselsheimer
RK)
Das Gespräch führte Martin Krieger
(aus "Main-Spitze" vom 03.10.2000)
Main-Spitze: Sie sind als
Erste der acht heimischen Olympioniken aus Sydney zurückgekehrt und am Montag um
8.30 Uhr brav zur Arbeit gegangen. Wie war's beim dritten Mal?
Dickenscheid: Obwohl es
sportlich katastrophal für uns gelaufen ist waren das tolle Spiele. Das
olympische Dorf war schöner als in Barcelona oder Atlanta. Stimmung und
Atmosphäre dort waren einmalig, da es viel mehr Kontakte zu anderen Sportlern
gab.
Main-Spitze: Woran hat es denn
dann gelegen, dass es auf dem Hockeyplatz noch schlechter gelaufen ist, als vor
vier Jahren?
Dickenscheid: Wenn ich das so
genau wüsste. Jedenfalls waren wir unfähig, das zu zeigen, was wir wirklich
können und hatten insgesamt zu wenig Selbstvertrauen. Aber ich denke auch, dass
der Erwartungsdruck sehr hoch war. Wenn man sich vor Augen hält, wie dicht alle
zehn Teams leistungsmäßig zusammen liegen, habe ich mich schon gewundert, wie
oft im Vorfeld ‒ auch innerhalb unserer Mannschaft ‒ von einer Medaille
gesprochen wurde.
Main-Spitze: Waren Sie mit
Ihren Leistungen zum Abschluss der internationalen Karriere zufrieden?
Dickenscheid: In den ersten
drei Spielen eigentlich schon, wobei ich das Gefühl hatte, ich hätte etwas mehr
für die Offensive tun können. Als wir ausgeschieden waren, sind alle vom Kopf
her freier gewesen. Es hat auf alle Fälle noch 'mal totalen Spaß gemacht, denn
so ein homogenes Team hatten wir selten.
Main-Spitze: Berti Rauth ist
in Sydney heftig angegriffen worden. Wird er Bundestrainer bleiben?
Dickenscheid: Ich denke schon.
Der krassen Kritik haben wir jedenfalls relativ wenig Bedeutung beigemessen. Da
haben sich Leute geäußert, die gar nicht wissen, wie's im Damenteam zugeht.
Aus "Main-Spitze" vom 17.10.2000:
Von acht kamen nur drei