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Über Mitglieder des
RRK (2015)
Claus Birkicht |
Claus Birkicht schließt Ende September, der
Ausverkauf hat begonnen.
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Birkicht schließt sein Schuhhaus
Geschäftsaufgabe
nach 78 Jahren / Claus Birkicht zollt verändertem Markt Disput
Von Michael Wien
(aus "Main-Spitze" vom 2. Juli 2015)
Claus Birkicht
schließt Ende September sein Schuhhaus. Gründe kann er gleich in Reihe nennen,
wobei sein Alter (67 Jahre) nicht die entscheidende Rolle spielt. "Obwohl ich
nie bis 100 arbeiten wollte."
In einer Stadt, in
der ein "so guter Schuhhändler wie Thomas Bach" und der erfolgreichste
Schuhverkäufer des Kontinents, Deichmann, ihre Pforten geschlossen hätten,
liefen die Geschäfte offenbar nicht gut. Dass er nun statt 6.000 gleich 12.000
Euro Grundsteuer zahlen solle, komme noch hinzu. Schon in den vergangenen Jahren
habe er manchmal draufgelegt, um nicht zu schließen. Ein teures "Hobby", wie er
inzwischen findet, ein zu teures.
Ein beauftragtes
Maklerbüro habe das Wohn- und Geschäftshaus in der Bahnhofstraße binnen zwei
Jahren nicht losgebracht. Ein Frankfurter Makler habe jetzt die Immobilie gar
nicht ausgeschrieben, sondern aus seiner Kundenkartei sieben Interessenten
gezogen. Fünf Wochen später habe man sich geeinigt. Was der Käufer genau in dem
großen Laden anbieten werde, wisse er nicht, erklärt Birkicht. Sein größtes
Problem sei es gewesen, den vier Verkäuferinnen, die teils Jahrzehnte im Haus
gewirkt, ja hier einst gelernt hätten, die Aufgabe des Geschäftes mitzuteilen.
Einige Verträge liefen noch bis Jahresende.
78 Jahre
Tradition
Hedwig Birkicht,
die vor wenig mehr als zwei Jahren verstorbene Mutter Claus Birkichts, hatte
1937 ein kleines Schuhgeschäft neben dem heutigen Brillen-Hurlin eröffnet.
Während ihr Ehemann, ebenfalls kaufmännisch ausgebildet, zum Kriegsdienst
eingezogen war – und schließlich erst 1948 aus der Gefangenschaft zurückkehrte –
führte sie den Laden ohne seine Hilfe weiter. Ende der 60er Jahre eröffnete das
Paar dann das mehrstöckige Schuhhaus am derzeitigen Standort. "Mit Freunden
staune ich immer wieder, wie ertragreich doch damals noch die Geschäfte waren",
bekennt Claus Birkicht.
"Schuhe hatten noch
eine andere Wertigkeit bei den Menschen." Aber damals habe es auch noch fünf
Metzger in der Innenstadt gegeben. "Und Metzger halte ich für noch
unentbehrlicher als uns."
Die Schließung des
Bücherhauses Jansen sei ein letzter maßgeblicher Einschnitt gewesen. "Der
Samstag ist bei mir inzwischen der umsatzschwächste Tag der Woche. Bei Kollegen
in anderen Städten ist er der stärkste. Man sollte hier mal an einem Samstag um
14 Uhr die Stadtväter durch die City führen."
Schmerzhafte
Entscheidung
Neben Schuhen auch
Bekleidung anzubieten, habe einschließlich des Internetverkaufes zuletzt zehn
Prozent des Umsatzes ausgemacht. Ohne diese Einkünfte hätte er den Laden schon
lange geschlossen, sagt Birkicht. Ursprünglich habe er gedacht, Sohn Patrick
werde nicht nur im Internet den Verkauf übernehmen, der jüngere Bruder, Björn,
die finanzwirtschaftliche Seite managen. Doch habe sich der Markt so grundlegend
Richtung Internet und Billiganbietern verändert, dass Patrick Birkicht das
Internetgeschäft (Kleidung und Schuhe) weiterführe, mit leichter Assistenz des
Vaters, Björn Birkicht in seiner Unternehmensberatung in Eschborn bleibe.
Natürlich habe die
Entscheidung, das Haus zu verkaufen und den Laden aufzugeben, wehgetan, gibt
Claus Birkicht zu. Sein Großvater mütterlicherseits war Schuhmachermeister (in
Heilbronn), seine Mutter blieb bis zu ihrem Tod, kurz vor ihrem 98. Geburtstag,
diesem Geschäft, ihrem Lebenswerk, eng verbunden. Dennoch sei es nur vernünftig,
diesen Strich zu ziehen. Ehefrau Gitta Birkicht hat in Ingelheim ein Haus
geerbt, um dessen Erhalt sich Claus Birkicht vermehrt kümmern will. Endlich
bleibt auch Zeit, mit Freunden, die sich ebenfalls aus dem Berufsleben
zurückziehen, Radtouren zu unternehmen. Daheim will die elektrische Eisenbahn
gehegt werden. In seiner Heimatstadt Rüsselsheim will Birkicht bleiben, sich
auch engagieren, aber wiederum bloß nicht wichtig machen, sagt er.
Zuversichtlich, dass sein Leben nicht langweilig wird – so elementar die
Veränderung auch ist, der er sich stellt – will er bleiben.
Claus Birkicht hat den Abverkauf in seinem
Schuhladen in der Bahnhofstraße eingeläutet. |
Schuhhaus
Birkicht schließt
Familie sieht
keine Perspektive mehr – Schluss Ende September nach fast 80 Jahren
Von rea (aus
"www.echo-online.de" vom 02.07.2015)
Claus Birkicht
schließt sein Schuhgeschäft in der Bahnhofstraße. Das habe Altersgründe, sagt
der 66 Jahre alte Unternehmer, aber mehr noch fehle es an Perspektive.
In den letzten
Jahren sei sein Schuhgeschäft "nur noch ein Hobby" gewesen, sagt Claus Birkicht
und fügt hinzu: "Ein Hobby, das man von Montag bis Samstag und von morgens bis
abends betreibt." Das ist zu viel, findet der 66-Jährige Geschäftsmann. So hat
er sich jetzt entschlossen, seinen Laden in der Bahnhofstraße zu schließen.
Vor allem fehlt es
ihm an Perspektive. "Rüsselsheim entwickelt sich schon lange nicht mehr so, wie
wir es erwartet haben", zieht er Bilanz. Schon seit mehr als zehn Jahren fehle
es an Umsatz, sei die in den achtziger und neunziger Jahren noch belebte
Ladenfläche von 900 Quadratmetern viel zu groß. Alle bestellen nur noch im
Internet, man kennt das ja. Das Argument aber, dass die Politik daran auch nicht
viel ändern kann, lässt der Einzelhändler nicht gelten. Er empfiehlt den Blick
in die Nachbarkommune Raunheim.
Der Abverkauf hat
bereits begonnen, endgültig Schluss soll dann Ende September sein. "Die
Entscheidung ist uns sehr, sehr schwer gefallen", sagt Claus Birkicht. Vor allem
wegen der fünf fest angestellten Mitarbeiterinnen. Es sei ein enges Verhältnis
entstanden über all die Jahre, erzählt der Chef, drei der Frauen haben sogar bei
Birkicht gelernt.
Birkichts Mutter
Hedwig hatte das Schuhgeschäft 1937 in der Bahnhofstraße 50 eröffnet – Vater
Alfred war zum Militär eingezogen worden und kehrte erst 1948 aus der
Kriegsgefangenschaft zurück. Von dort zog man in die Bahnhofstraße 37 und später
in die 24 um und erlebte blühende Jahre in Rüsselsheim. Sohn Patrick baute für
Birkicht den Internethandel als zweites Standbein auf, der auch weiter bestehen
bleibt. An der Übernahme des Ladengeschäfts aber habe der Sohn kein Interesse,
erzählt der Vater, auch sein anderer Sohn Björn nicht. Das sah eine zeitlang
anders aus, als Patrick Birkicht in der Bahnhofstraße sein eigenes Schuhgeschäft
"PB Shoes" und später in der Löwenstraße "Urbantrendsetter" eröffnet hatte. Doch
früher als der Vater strich er die Segel.
Die Immobilie in
der Bahnhofstraße 24 hat Birkicht verkauft an einen Investor aus Dietzenbach.
Der will, so sein letzter Kenntnisstand, die Ladenfläche so umbauen, dass aus
einem zwei Geschäfte entstehen. |