Aus "Deutsche Hockey
Zeitung " vom 1. Dezember 1994
Das Jammern über den Abgang von
Michael Knauth ist verstummt. Schon das alleine ist ein Riesenerfolg für seinen
Nachfolger, denn der Limburger Knauth galt in den letzten Jahren als der
weltbeste Hockey-Torhüter. Jetzt liegt die Verantwortung bei Christopher Reitz.
Und der hat bei der 8. Weltmeisterschaft in Sydney die Tradition erstklassiger
deutscher Torleute bislang fortgesetzt.
Beim WM-Auftakt gegen Südafrika (1:1)
glänzte der 21-jährige vom Rüsselsheimer RK mit tollen Reflexen bei Strafecken.
Selbst der Holländer Floris Jan Bovelander, weltweit gefürchtetster
Strafeckenschütze, vermochte den deutschen Schlussmann nicht zu überwinden.
"Jetzt kommt es auch auf einen guten Torhüter an", sagte Bundestrainer Paul
Lissek vor den entscheidenden Vorrundenspielen, "und den haben wir in
Christopher Reitz".
Der gebürtige Offenbacher hat das
Vakuum, das nach dem überraschenden Rücktritt von Michael Knauth vor einem guten
halben Jahr entstanden ist, entschlossen genutzt. Obwohl jünger als die
Konkurrenten Andreas Arntzen (27/Hamburg; zweiter WM-Torhüter) und Albert
Hemmersbach (30/ Mönchengladbach), ist Reitz in den letzten Wochen zur Nummer
eins im deutschen Kasten gereift. "Ich habe halt von der B-Jugend an die gesamte
Kaderschule des DHB durchlaufen. Das bringt eben schon Erfahrung mit sich",
sieht der Junioren-Weltmeister von 1993 seine Vorzüge. Dass er der einzige
deutsche WM-Fahrer aus einem Verein der zweiten Liga ist, stellt kein Hindernis
dar. Reitz: "Erstens ist mein Verein Rüsselsheim aufgestiegen, und zweitens
haben wir derart viele Lehrgänge im Nationalkader, dass die Vereins- oder
Ligazugehörigkeit nicht so sehr entscheidend ist."
Olympiasieger war Christopher Reitz
auch schon. Aber im Schatten des großen Michael Knauth hat er als zweiter
Torhüter das Gold von Barcelona 1992 "praktisch als Tourist" (Reitz) von der
Reservebank aus eingesackt. Die WM in Sydney ist daher für ihn auch eine Art
Premiere: das erste Mal Stammtorhüter einer deutschen Herrenauswahl bei einem
großen Meisterschaftsturnier. Solch ein Ereignis lassen sich auch die Eltern
Reitz, eine durch und durch "echte" Hockeyfamilie, nicht entgehen. Als
WM-Touristen sind sie nach Australien geflogen und beobachten von der Tribüne
aus, wie ihr Sohn diese große Bewährungsprobe scheinbar spielend meistert.
Obwohl Christopher Reitz gegen die
Niederlande sein erst 25. Länderspiel bestritt, strahlt er große Ruhe und
unerschütterliches Selbstvertrauen aus. "Es ist schließlich mein Job, den Jungs
vor mir ein bisschen Sicherheit zu verleihen", sagt der angehende
Medizin-Student (ab Sommersemester 1995; bis zum 31.3. noch Soldat in der
Sportfördergruppe der Bundeswehr) im Stil eines alten Routiniers. Dabei ist er
gerade einmal der Viertjüngste im deutschen WM-Kader. "Pervers", findet er das
in solch jungem Alter schon als "erfahrener Torhüter" zu gelten. Wenn schon
andere den Vergleich mit Michael Knauth nicht (mehr) anstellen, so tut es
Christopher Reitz manchmal gerne selbst. Der Schatten des Vorgängers sei eher
Ansporn als Belastung: "Es macht mir gar nichts aus, wenn einer sagt, ich hätte
wie Knauth gehalten ..."
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Mit voller Konzentration durchlebt
der Rüsselsheimer in der australischen Olympiastadt 2000 in diesen Tagen das
WM-Geschehen, und doch prickelt es in ihm schon ein wenig, wenn er an zuhause
denkt. Zehn Tage nach der Rückkehr am 6. Dezember beginnt für ihn und den
Erstliga-Aufsteiger RRK die Hallen-Bundesligasaison. "Gleich mit dem
Auswärtsspiel am 16.12. beim hessischen Rivalen Limburg und einen Tag darauf
mit dem Heimspiel gegen den Feld-Europacupsieger Mülheim geht's los", kennt
Reitz den Spielplan ganz genau. Auch wenn es schwer fallen wird, sich nach
Sonne und Feldhockey in Australien auf Kälte und Hallenhockey in Deutschland
umzustellen (Reitz: "Nach vier Wochen nonstop WM samt Vorbereitung fällt man
die ersten Tage in der Heimat sicherlich wie in ein großes Loch"), so
überwiegt doch schon jetzt die Vorfreude: "Das gibt bestimmt eine
Riesensache."
Position als Nummer eins gefestigt
RRK-Torwart Christopher Reitz glänzt zum
Auftakt der Hockey-WM in Sydney
Von Uli Meyer (aus "Main-Spitze" vom
26.11.1994)
Wenig Berauschendes zeigte die
deutsche Hockey-Nationalmannschaft zum Auftakt der 8. Feld-Weltmeisterschaft in
Sydney/Australien. Dem überraschenden Punktverlust beim 1:1 gegen den krassen
Außenseiter Südafrika folgte am Freitag im zweiten Spiel ein glanzloser
6:0-Arbeitssieg über die international allenfalls zweitklassigen Belgier.
Das Soll erfüllte im deutschen Team
bislang eigentlich nur einer - Christopher Reitz. Der Schlussmann des
Rüsselsheimer Ruder-Klubs (RRK) hat die Position der Nummer eins zwischen den
deutschen Torpfosten nicht nur erobert, sondern in Sydney gefestigt.
"Christopher hat uns vor einem frühen Ausgleich bewahrt", bedankten sich
Bundestrainer Paul Lissek (Limburg) und Kapitän Christian Blunck (Hamburg) nach
dem WM-Aukftakt unisono bei Reitz. Pech für den Schlussmann, daß seine
exzellenten Paraden bei mehreren Strafecken letztlich umsonst waren, da
Südafrika Sekunden vor dem Schlusspfiff mit einem unhaltbaren Treffer doch noch
zum 1:1 kam. "Wir hätten eigentlich gewinnen müssen", analysierte Südafrikas
Coach Gavin Featherstone. "Deutschland hatte viel Glück und einen
Klassetorwart".
Nach
dem Aufstieg in der Halle nun auch 1994 der Wiederaufstieg auf dem
Feld in die Erste Bundesliga, also die 1. Herren des RRK rundherum
wieder erstklassig (hinten: Gerrit Rothengatter, Holger Kraft,
Holger Klein, Klaus Eberts, Jens George, Benny Schröter,
Glenn Eifert, Björn Emmerling, Torwart Christopher Reitz, Trainer
Berti Rauth; vorn: Torben Stalmach, Volker Schädel, Patrick
Honnef, Jan-Erik Reitz, Oliver Domke, Sven Schaefer) |
Obwohl Christopher Reitz schon beim
Olympiasieg 1992 mit im deutschen Team dabei war, so ist die WM doch so etwas
wie eine Premiere für ihn: Zum ersten Mal bei einem großen Meisterschafsturnier
ist er der Stammtorhüter einer deutschen Herrenauswahl. Die Goldmedaille von
Barcelona hatte er "praktisch als Tourist" (Reitz) eingesackt, denn am damaligen
ersten Torwart Michael Knauth gab es keine Zweifel. Und für Reitz bis auf einen
einzigen Olympia-Einsatz in einem eher unwichtigen Gruppenspiel nur den Platz
auf der Ersatzbank.
Als der Limburger Knauth vor wenigen
Monaten für alle überraschend seinen Rücktritt erklärte, entstand ein
kurzfristiges Vakuum. Reitz nutzte die Gunst der Stunde. Obwohl vom Alter her
der jüngste, setzte sich der gebürtige Offenbacher gegenüber Albert Hemmersbach
(30 Jahre/Mönchengladbach) und Andreas Arntzen (27/Hamburg; zweiter WM-Torhüter)
durch. "Eigentlich ist es verrückt, dass ich mit 21 Jahren schon der erfahrenste
Torhüter bin", wundert sich Reitz. Der hat gegenüber der Konkurrenz freilich den
Vorteil, "die ganze Kaderschule des Deutschen Hockey-Bundes von der B-Jugend an
durchlaufen zu haben. Das gibt schon Erfahrung".
Und so ist es dem
Junioren-Weltmeister von 1993 auch nicht mulmig zumute, die von Knauth
hinterlassene Lücke ausfüllen zu müssen. "Es ist zwar nicht leicht, aber der
Vergleich mit dem in seiner Zeit wohl weltbesten Torhüter ehrt mich", sagt
Christopher Reitz, dessen Ziel es ist, "unserer Mannschaft die Stabilität zu
verleihen, wie dies Michael Knauth früher geschafft hat".
Mit Leistungen wie im
Südafrika-Spiel ist Reitz auf dem besten Wege dazu. Mutter und Vater Reitz
konnten sich vor Ort als WM-Touristen davon überzeugen. Obwohl erst rund 20
Länderspiele auf dem Buckel, strahlt der angehende Medizin-Student (ab
Sommersemester 1995 in Frankfurt) in Sydney große Ruhe und Selbstvertrauen aus.
"Es ist schließlich mein Job, den Jungs vor mir ein bisschen Sicherheit zu
geben." Christopher Reitz sagt dies im Stile eines alten Haudegens - dabei ist
er der viertjüngste Spieler im 16köpfigen deutschen WM-Team.
Mit voller Konzentration
durchlebt das derzeitige Mitglied der Bundeswehr-Sportfördergruppe in der
Olympiastadt 2000 in diesen Tagen das WM-Geschehen. Und doch prickelt es in ihm
schon ein wenig, wenn er an zu Hause denkt. Zehn Tage nach der Rückkehr am 6.
Dezember beginnt für ihn und Erstliga-Aufsteiger RRK die
Hallenhockey-Bundesligasaison. "Gleich mit dem Auswärtsspiel am 16. beim
hessischen Rivalen Limburg und einen Tag darauf mit dem Heimspiel gegen den
vielfachen Europacupsieger Mülheim geht's los", kennt Reitz den Spielplan ganz
genau. Auch wenn es schwer wird, sich nach Sonne und Feldhockey in Australien
auf Kälte und Hallenhockey in Deutschland schnell umzustellen (Reitz:
"Wahrscheinlich fällt man die ersten paar Tage wie in ein großes Loch"), so
überwiegt doch die Vorfreude: "Das gibt bestimmt eine Riesensache".
Allzu große Gedankensprünge will
Christopher Reitz jedoch gar nicht zulassen. Schließlich soll es in Sydney trotz
des mageren Auftakts eine WM-Medaille für Deutschland werden. Am Spieler mit der
Nummer eins auf dem Rücken dürfte dieses Vorhaben jedenfalls nicht scheitern.