Das Interview
führte Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 20.02.2016)
Am kommenden
Mittwoch wird er 38 Jahre alt. Mehr als 32 Jahre davon hat Christian Domke beim
Rüsselsheimer RK Hockey gespielt. Nun soll zumindest in der ersten Mannschaft,
mit der der als "Assistant Sales Director" in Mainz arbeitende Betriebswirt
ungezählte Bundesligaspiele bestritten und neben Jugendmeisterschaften auch
einen DM-Titel sowie den Hallen-Europapokal erkämpft hat, Schluss sein. Mit
einem eigens organisierten Spaßturnier mit langjährigen Weggefährten – darunter
das EC-Siegerteam von 2009 – in der Sporthalle Dicker Busch sagt "CD" diesen
Samstag zwischen 17.30 und 21.30 Uhr auf seine Art servus. Der symbolische
Eintrittspreis von einem Euro kommt der Kinderkrebshilfe zugute.
Herr Domke, man
soll ja bekanntlich aufhören, wenn es am schönsten ist. Gilt das auch für Sie?
Na ja, am schönsten
ist es meistens dann, wenn man Erfolg hat. Den hatten wir in der abgelaufenen
Saison nicht zwingend, zumindest nicht auf die Ergebnisse bezogen. Da hätte ich
doch schon ein paar Jahre früher aufhören müssen. Doch es freut mich, zu sehen,
dass immer mehr junge Spieler hochkommen, sich weiterentwickeln und so "unser"
Erbe antreten, was nach 2008/2009 sicher nicht so einfach ist. Viele von den
Jungen sind auf einem sehr guten Weg und bin davon fest überzeugt, dass Sie das
auch schaffen können. Da wir mit Jonathan Elliott einen tollen Trainer haben,
der fachlich und menschlich super zur Truppe und dem Verein passt und es Spaß
mit der Mannschaft macht, könnte ich noch weiter machen. Aber die Jungs sehe ich
ja weiterhin ab und an am Platz oder in der Halle.
Sie waren in
Ihrer Karriere vergleichsweise häufig verletzt und mussten deshalb oft
pausieren. In der abgelaufenen Zweitliga-Hallenrunde war das
bemerkenswerterweise etwas anders. Warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt,
Schluss zu machen?
Leider hatte ich
mich im letzten Vorbereitungsspiel auch wieder leicht gezerrt und somit zwei,
drei Spiele verpasst. Generell ist die Belastung, die ich fahre, eine andere,
als noch mit drei bis fünfmal Training zu Hochzeiten. Auch mache ich neben dem
Hockey einiges im Fitnessbereich, sonst würde das gar nicht gehen. Aber generell
denke ich, dass ich vielleicht besser auf meinen Körper höre und einschätzen
kann, wann die Belastung zu viel wird oder nicht. Da war ich in der
Vergangenheit manchmal vielleicht zu ungeduldig und wollte schneller auf den
Platz zurück, als es gut war.
Stimmen
zum Karriereende von Christian Domke
Bernhard Peters (Ex-Bundestrainer, jetzt
Sportdirektor beim Hamburger SV): Christian war ein toller, schneller
und verlässlicher Spieler mit unheimlichen Fähigkeiten – vor allem in der
Halle, da war er manchmal gar nicht aufzuhalten – und großem Willen. Und er
hat sich immer sehr an den taktischen Vorgaben orientiert, wollte alles
immer möglichst optimal umsetzen. Seine Verletzungen und das daraus
resultierende tief hängende Schmerzempfinden hat ihn leider etliche
Jugend-Länderspiele gekostet, sodass ihm später manchmal das
Selbstbewusstsein gefehlt hat, das absolute Topspieler auszeichnet. Und ich
hatte auch den Eindruck, dass es für ihn nicht einfach war, immer der Bruder
von Olli zu sein. Wir haben uns jedenfalls sehr gut verstanden und ich freue
mich, dass er als Jugendtrainer etwas weitergibt.
Martin Müller (RRK-Abteilungsleiter): CD wird
sicher als ein herausragender Hockeyspieler Rüsselsheims in Erinnerung
bleiben, zumal er ein echtes Eigengewächs ist und wie sein Bruder Olli nie
die Absicht hatte, den Verein zu wechseln. Er kam im Alter von knapp sechs
Jahren zu uns, war außerordentlich schnell und mit einem natürlichen
Balltalent ausgestattet. Seine Begabung wurde rasch erkannt und gefördert.
Vielleicht hätte er seine persönliche Erfolgsliste noch ausbauen können,
wurde aber immer wieder durch diverse Verletzungen gestoppt. Dass er so
lange aktiv spielen würde, war nicht unbedingt abzusehen.
Mirco Fuchs (RRK-Kapitän): Ich weiß nicht, was
für ihn individuell und auch für uns als Mannschaft noch möglich gewesen
wäre, hätte CD nicht ein solch großes Verletzungspech gehabt. Er ist ein
ganz Großer des Hallenhockeys. Durch überragende Einzelaktionen, geniale
Pässe in die Sturmspitze oder eine stabile Defensivarbeit, an der sich
etliche Stürmer die Zähne ausbissen, konnte er immer den kleinen Unterschied
machen. Bei der Endrunde 2000 habe ich ihn in Essen noch angefeuert, acht
Jahre später klappte es mit ihm an meiner Seite dann im dritten Anlauf
endlich den Titel zu ergattern. Unvergessen ist auch der Europapokalsieg in
der eigenen Stadt. Er hat die ersten Herren enorm geprägt, brachte sich
immer kon-struktiv und mit großer Weitsicht in die mannschaftliche
Entwicklung ein und hat dabei sowohl einen aufbauenden Blick auf
Nachwuchsspieler als auch einen konstruktiven Austausch zu den Trainern
gepflegt. Ich bedanke mich für eine geniale gemeinsame Hockeyzeit, für das
Engagement und den eisernen Willen, nicht nur für sich und die Mannschaft,
sondern auch für den Verein alles zu geben.
Oliver Domke (Bruder): Als einer der besten
deutschen Mittelfeldspieler konnte mein Bruder Spielsituationen super
schnell erfassen und sehr gute Pässe bis in die Spitze spielen. Auch dadurch
hatte ich es als Stürmer vielleicht einfacher als andere, so viele Tore aus
dem Feld heraus zu erzielen. Ich bin froh, mit ihm und nie gegen ihn
gespielt haben zu müssen. Leider hatte Christian seit seinem 18. Lebensjahr
immer wieder mit langwierigen Muskelverletzungen zu kämpfen. Ohne das hätte
er bestimmt noch mehr Einsätze in der Nationalmannschaft gehabt und wir
hätten bestimmt die Olympischen Spiele und die Feldweltmeisterschaft
zusammen erleben können. Das war ihm leider nicht vergönnt. Aber er hat sich
davon nie runterziehen lassen und es sogar geschafft, noch ein paar Jahre
länger in den ersten Herren zu spielen als ich. So wie ich ihn kenne, wird
er im RRK bleiben, weil Hockey doch wie eine kleine, positive Droge für ihn
ist. Vielleicht lernt er es aber auch wie ich, zu schätzen, mehr Freizeit zu
haben und nicht mehr die ganze Woche um Hockey herumplanen zu müssen. Vielen
Dank für die vielen schönen Spiele und gemeinsamen Erfolge!
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Sie haben auch
aufgrund der erwähnten Verletzungsanfälligkeit "nur" 63 Länderspiele bestritten.
Hatten Sie sich mehr von Ihrer DHB-Karriere erhofft?
Mein Kindheitstraum
waren die Olympischen Spiele. Die habe ich leider nicht geschafft. In Sydney war
ich sehr knapp dran, vor Athen hatte ich eine langwierigere Verletzung, die ich
dann lieber habe operieren lassen. Aber richtig, das eine oder andere große
Feldhockeyturnier hätte ich gerne noch gespielt, doch da war mir meist mein
Körper im Weg. Aber ich denke, ich habe auch so vieles erreicht, auf das ich
stolz sein kann.
Was waren für
Sie die größten Erfolge, im Nationalteam wie beim RRK?
Ganz klar die
Hallen-WM 2003 in Leipzig sowie die Deutsche Meisterschaft mit dem RRK 2008 in
Hamburg und der Hallen-Europacup 2009 in Rüsselsheim.
Sie sind, genau
wie Ihr etwas älterer Bruder Oliver, dem Ruderklub als Spieler stets treu
geblieben. Warum hat ein anderer, vielleicht auch renommierterer Bundesliga-Klub
Sie nie reizen können?
Ich hatte hier doch
alles! Den Sport, den ich liebe, konnte ich mit meinen Freunden ausüben, meine
Familie und meine berufliche Ausbildung – alles war in und um Rüsselsheim. Warum
sollte ich also weg? Ich bin hier verwurzelt und brauchte nicht mehr. Diese
Faktoren sind mir mehr wert, als das, was irgendein Verein mir hätte bieten
können. Bestimmt war das ein oder andere Angebot sportlich reizvoll, doch was
ich dafür hätte aufgeben müssen, war es mir einfach nicht wert. Die DM 2008 mit
den Jungs aus "meinem" Verein zu erreichen, hat viel mehr Gewicht, als wenn man
sich die Spieler zusammenholt und so erfolgreich ist.
Aktuell spielen
wieder einige deutsche Topspieler in Indien und verdienen für
Hockey-Verhältnisse gutes Geld. Hätten Sie über ein derartiges Angebot
nachgedacht?
Sicher! Wenn man
mitbekommt, was da alles drumherum passiert und was für ein Spektakel das dort
ist, wäre das sicher nicht nur eine Überlegung wert gewesen. Wichtig ist
natürlich auch, dass man nicht in der heimischen Liga gesperrt ist. Sonst hat
man sechs bis acht Wochen "Spaß" in Indien und darf dann nicht mehr spielen.
Ihr Bruder
Oliver hat als Stürmer etliche Jahre Weltklasseniveau verkörpert, war zweimal
bei Olympia und Siegtorschütze beim ersten deutschen WM-Triumph 2002. War Ihnen
dieser Schatten manchmal zu groß?
Für mich gab es da
keinen Schatten. Den Schatten hat die Presse nur manchmal aufgebaut! Die
Ansprüche sind durch seine Erfolge natürlich auch irgendwie an mich
herangetragen worden. Aber wir sind ganz andere Spielertypen, auch von der
Position her, und daher nur schwer vergleichbar. Für mich war das zwar immer ein
Ansporn, dem nachzueifern, aber nicht ein Zwang. Jeder ist da seinen Weg
gegangen. Das Schöne ist, dass wir einen Teil davon sogar zusammengehen konnten.
Dafür bin ich sehr dankbar und das macht mich sehr stolz!
Sie haben zu
Ihrem Abschied an diesem Samstag selbst ein Hallenturnier mit vier Teams
organisiert. Wie kommt man auf so eine Idee und auf welche Spieler dürfen sich
die Rüsselsheimer Hockeyfans freuen?
Mir war klar, dass
ich, wenn ich aufhöre, gerne noch mal mit vielen Freunden, die man in so langer
Zeit gewinnt, zusammen auf und neben dem Platz zusammentreffen will. Diese Idee
reift jetzt schon seit knapp zwei Jahren, aber bisher hatte ich nie das Gefühl
das anzupacken, weil es doch dann ein Abschied ist, den ich nicht mehr
rückgängig machen will. Vor der Hallensaison war der Moment dann für mich
gekommen. Wer alles kommt? Neben dem DM/EC-Team und der aktuellen Mannschaft
viele super Typen, mit denen man auf und neben dem Platz immer eine gute Zeit
hatte und mit denen ich viel Positives verbinde überwiegend aus dem süddeutschen
Raum, aber auch aus Hamburg. Mit einigen habe ich zusammen in diversen Auswahlen
gespielt, sei es an der Uni, im Hessenteam, der Nationalmannschaft oder in der
Militärauswahl. Dazu kommen Spieler, denen man häufig auf dem Platz
gegenüberstand und auch die eine oder andere Turnierfete zusammen gefeiert hat.
Alles bunt gemischt, also irgendwie die sogenannte "Hockeyfamilie", die mich so
lange Zeit begleitet hat.
Schließen Sie
ein Comeback kategorisch aus und falls ja, was wird aus dem RRK ohne Christian
Domke?
Man soll ja niemals
nie sagen. Ich denke, die ersten Herren sind mit Jonathan und den vielen jungen
Spielern so gut aufgestellt, da müsste es schon mit dem Teufel zugehen, dass man
in Personalnot kommen dürfte, was für mich die einzige Ausnahme wäre. Also kann
ich die Frage ohne schlechtes Gewissen mit "Ja" beantworten. Sonst bräuchte ich
hier auch nicht diesen Aufwand für dieses Turnier betreiben, wenn ich dann doch
wieder spielen würde. Für die zweiten Herren werde ich aber noch zum Schläger
greifen, aber bestimmt nicht mehr alles so dem Sport unterordnen, wie zuletzt.
Wo die RRK-Reise hingeht? Ich hoffe, dass die Jungs sich weiter gut entwickeln,
vielleicht auf dem Feld sogar dieses Jahr schon den Sprung zurück in die zweite
Liga schaffen. Da gehören sie definitiv hin, und vielleicht schafft es der RRK
ja auch in der Halle wieder eine Klasse höher zu spielen.