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Über Mitglieder des
RRK (1999)
Christian Domke |
Christian Domke |
Der Schatten des großen,
erfolgreichen Bruders stört nicht mehr
Christian Domke will seinen Traum von
Olympia 2000 erfüllen
Von
ULRICH FRIED (aus "FAZ" vom 07.07.1999)
Einen älteren und obendrein bekannten Bruder zu haben, kann ein
hartes Los sein. Christian Domke etwa hat das noch einmal nachhaltig erfahren.
Am 13. Mai war der Stürmer des Rüsselsheimer Ruder-Klubs (RRK) erstmals für die
Nationalmannschaft des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) im Einsatz gewesen und
hatte beim 10:0-Sieg im Länderspiel gegen die Auswahl der Vereinigten Staaten in
Düsseldorf auch gleich einen Treffer erzielt. Dennoch haben zunächst nicht viele
( von dieser erfolgreichen Premiere erfahren. Für die Agenturen bestand bei der
Übermittlung des Spielberichts offenbar kein Zweifel, dass der Torschütze Domke
mit Vorname nicht Oliver heißen könnte. Verständlich, war Christians zwei Jahre
älterer Bruder vor gut einem Jahr in Utrecht doch zum besten Spieler des
WM-Tumiers gewählt worden. "Manchmal habe ich mich schon so gefühlt, als ob ich
nie aus seinem Schatten herauskommen würde", sagt Christian Domke.
Keine sieben Wochen nach der Partie in Düsseldorf weiß der zwölfte
Nationalspieler, der aus dem RRK hervorgegangen ist, dass er diese Befürchtung
nicht länger hegen muss. Elfmal hat Bundestrainer Paul Lissek den 21 Jahre alten
Angreifer mittlerweile in Länderspielen eingesetzt und offenbar zunehmend mehr
Gefallen an den Auftritten seines hessischen Landsmannes gewonnen. "Ich habe
mich zuletzt immer sicherer gefühlt. Und nach den drei Länderspielen in Polen
hat der Bundestrainer zu mir gesagt, dass ich, wenn er jetzt den EM-Kader
benennen würde, dabei wäre", sagt Domke. Die Chancen, bei der
Europameisterschaft vom 15. bis 26. September tatsächlich zum deutschen Aufgebot
zu gehören, das in Italien mit dem Titelgewinn auch die vorzeitige Qualifikation
für die Olympischen Spiele in Sydney erreichen möchte, sind auch deshalb
gegeben, weil die nationalen Verbände inzwischen 18 statt bislang 16 Spieler
mitnehmen dürfen. "Und darunter werden bestimmt sechs Stürmer sein, wobei im
Moment wohl nur Sven Michel gesetzt ist", so Domke.
Christian Domke in Hessens
Spitzenteam 1994 auf dem Feld, der männlichen B-Jugend des RRK (hinten: Rene Sommerfeld, Björn Fuchs, Steffen Dreisbach, Christian Domke, Nico Hosang, Holger Gerlach,
Torsten Kraft, Matthias Köppl, Tolga Özkol, Thorsten Naß,
Heiko Heß, Trainer Torsten Althoff; vorn: Björn Birkicht,
Tim Schmuck, Jürgen Stuhlträger, Martin Ehrhardt, Benedetto
de Lauso, Gregor Theis, Nicolas Emmerling, Benjamin Jacobi) |
Möglicherweise brauchte sich auch Christian Domke heute keine Sorgen mehr über
seine EM-Teilnahme zu machen, hätten ihm vor zwei Jahren nicht gesundheitliche
Probleme im Weg gestanden. Nach 15 Jahren Hockey, mit dem er durch eine Tante
erstmals in Kontakt gekommen war, und 85 Berufungen in die Jugend- wie
Juniorenauswahlteams des DHB schien das große Ziel 1997 schon einmal sehr nahe.
"Ich wollte immer in die A-Nationalmannschaft, um meinen Olympiatraum erfüllen
zu können", sagt Domke. Die Einladung, am Lehrgang des A- und B-Kaders über
Ostern in Limburg teilzunehmen, sei seinerzeit zwar überraschend gekommen, "doch
nach den vier Tagen hat man mir gesagt, dass ich mit am meisten aufgefallen
wäre". Die positive Stimmung wurde allerdings durch Schmerzen im rechten
Kniegelenk getrübt. "Die Ärzte haben einen Knorpelverschleiß festgestellt, und
das war's dann erst einmal", so Domke.
Seine Schnelligkeit und Ballsicherheit, die ihm 1993 die Auszeichnung als bester
Spieler der deutschen Jugendmeisterschaft in der Halle einbrachten, waren auf
höherer Ebene nicht unbekannt geblieben. Bereits mit 14 Jahren gehörte er dem
Kader der "U16"-Nationalmannschaft an. "Ich war fast immer der Jüngste und
musste mich auch körperlich durchsetzen. Ich denke, die Probleme im Knie kommen
daher, dass ich in der Wachstumsphase einfach etwas zu ehrgeizig war", sagt der
Rüsselsheimer. Diese Charaktereigenschaft ließ ihn dann auch im vergangenen Jahr
noch nicht in den A-Kader vorstoßen: Nach einem Muskelfaserriss hatte er zu früh
wieder begonnen. Dennoch gab es für Christian Domke auch 1998 Grund zum Jubeln.
In Polen gehörte er zum Aufgebot des DHB, das zum fünften Mal den EM-Titel der
Junioren gewann.
Die Beschwerden im Knie, die er heute dank einer bei Bedarf einsetzbaren
Spritzenkur weitgehend im Griff habe, standen aber nicht nur seiner nationalen
Laufbahn im Wege. Im Halbfinalspiel um die deutsche Feldhockey-Meisterschaft,
das der RRK 1997 erstmals seit 18 Jahren wieder erreicht hatte, musste Christian
Domke vom Spielfeldrand aus zusehen, wie seine Mannschaft in Bad Dürkheim gegen
den SC 1880 Frankfurt 0:2 verlor. Verständlich, dass er das Erlebnis Endrunde
möglichst bald mit seinem Heimatverein nachholen möchte. "Wir haben in der
Bundesliga noch gute Chancen, Zweiter zu werden. Und mit dem Heimvorteil im
Viertelfinale ist die Endrunde im Herbst drin", sagt Domke. Möglicherweise ist
es aber auch schon früher soweit: "Am 10. und 11. Juli wird in Leipzig die
Pokalendrunde ausgetragen. Das wäre ganz praktisch, denn an diesem Wochenende
findet dort auch der nächste DHB-Lehrgang statt."
Obwohl er glaubt, dass es für den Rüsselsheimer RK schwer werden wird, ohne
Trainer ganz nach vom zu kommen, ist ein Vereinswechsel für ihn kein Thema. "Ich
habe alle meine Freunde hier", sagt Domke, der noch bis Ende August seinen
Bundeswehrdienst bei der Sportförderkompanie in Mainz ableistet. Unmittelbar
danach beginnt eine zweijährige Ausbildung zum Industriekaufmann. "Ich habe
keine Lust zu studieren und wollte lieber etwas in der Hand haben", sagt Domke.
Christian Domke
(vorn Zweiter von rechts) im
deutschen Europameisterschafts-Siegerteam der Junioren 1998 in Posen
(Mannschaft: Clemens Arnold, Hendrik Sievers, Max Klink, Christian
Achtmann, Uli Bergmann, Stefan Didyk, Max Landshut, Tibor
Weißenborn, Tobias Hentschel, Andreas Lante, Christian Wein, Thomas
Draguhn, Christian Domke, Patric Lunau-Mierke, Justus Scharowsky,
Matthias Witthaus) |
CHRISTIAN DOMKE: DER KLEINE GANZ
GROSS
"Ich spiele mein Hockey"
Von Karsten Lehmann (aus "Deutsche
Hockey Zeitung" vom 12. August 1999)
Der eine heißt Oliver, der andere
Christian. Beide heißen sie Domke und kommen aus Rüsselsheim. Die Brüder haben
ein Ziel: Olympia. Zur Zeit steht aber nur der "kleine" Domke im Kader der
Nationalmannschaft − und spielt groß auf.
Noch nie sind die Domke-Brüder
gemeinsam in der Nationalmannschaft aufgelaufen. Doch wenn Christian den Rasen
betritt, trägt er zumindest ein "Stück Olli" mit sich herum. Sozusagen als
Glücksbringer hat der große Bruder Oliver (23) dem Kleinen seine
Nationalmannschaftshose vermacht. "Die passt und bringt Glück", sagt Christian.
Die Hose gab's quasi als Dankeschön
von Olli. Als der nämlich zur Europameisterschaft 1995 fuhr, fehlte ihm noch ein
Ersatzschläger. "Da hab ich ihm meinen angeboten", so Christian. Und siehe da:
Aus dem Ersatzknüppel wurde die Nummer eins. "Ich suche die besseren Schläger
aus, meint Olli." Das nennt man dann Bruder-Liebe.
Dass die Last, den besten Spieler der
Herren-Weltmeisterschaft 1998 als Bruder zu haben, nicht leicht ist, weiß der
21-jährige. "Olli kritisiert mich natürlich anders als andere
Mannschaftskollegen. Ich weiß, wie ich das zu nehmen habe. Außerdem motiviert
das auch ungemein."
Beide erwarten vom anderen
Top-Leistung. "Wenn ein dummer Fehler passiert, ärgert einen das doppelt.
Denn du weißt, er kann es."
Dass der Schatten des großen Bruders
immer mitspielt und der "kleine" Christian am Weltstar Oliver gemessen wird,
davon will der Junior nichts wissen. "Ich spiele mein Hockey. Und das
unterscheidet sich von Ollis. Er hat den Killerinstinkt. Er rennt drauf los und
macht das Tor. Ich bin noch nicht so frei im Kopf und überlege, wie ich den
Torwart ausspielen könnte."
Was den "kleinen" Domke, der gut zehn
Zentimeter größer ist als der "große", ärgert, sind Zeitungsartikel, in denen er
für Olli verkauft wird. Nach den Länderspielen in Leipzig stand in einer
regionalen Zeitung in Rüsselsheim: "'Oliver kann mal ein ganz Großer werden',
sagte Bundestrainer Paul Lissek". Christian zur Verwechslung: "Das nervt
natürlich. Zum einen freut es mich, wenn der Bundestrainer so viel Vertrauen in
mich setzt. Zum anderen muss Olli kein Großer werden. Er ist es."
Wenn die Brüder zusammen in der
Rüsselsheimer-Offensivabteilung wirbeln, dann wird schon der nächste Verwandte
gesucht. "Wir spielen gern zusammen. Das macht Spaß und bringt Erfolg." Und das
hat seinen Grund: Die beiden Brüder haben genau die gleiche Zeit beim
30-Meter-Sprint. Und die ist nicht von schlechten Eltern.
Apropos Eltern. Mutter Hildegard ist
fast bei jedem RRK-Spiel mit dabei, sie hat auch die Schriftführung beim
hessischen Bundesligaverein inne und leitet einen Hockeyshop. Und wenn der
Schlusspfiff ertönt ist und Mutti zum Abendbrot ruft, beherrscht ein Thema die
Familie: Hockey.
Im nächsten Jahr soll es mit der
Premiere der Domke-Brüder in der Nationalmannschaft klappen. "Für Olympia sieht
es gut aus. Olli hat seine Lehre beendet, und ich kann auch weiter in der
Nationalmannschaft spielen", sagt Christian, "dann gibt es die doppelte
Domke-Power." Bloß: Wer spielt dann in welcher Hose? |