Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Bianca Weiß

Vom "Pummel" zwischen den Pfosten zur Nationaltorhüterin

Bianca Weiß - impulsiv, reaktionsschnell und arbeitsam

Von Peter Penders (aus "FAZ" vom 18.03.1993)
 

Manche Karrieren im Sport beginnen einfach nur mit einem dummen Zufall. In Rüsselsheim fand irgendwann einmal ein neun Jahre altes Mädchen Gefallen am Hockey. Vom Babyspeck war allerdings noch einiges über geblieben, und der Trainer entschied sich gleich für eine praktische Lösung. "Prima, wir haben noch keine Torhüterin." Also bekam sie die arg unhandlichen Schienen umgeschnallt und hoffte darauf, irgendwann einmal auf dem Feld mitspielen zu dürfen. Ein Trugschluß, wie sich herausstellen sollte. Am Ende ihrer ersten Saison durfte die Torhüterin, die sich rückblickend selber als "Pummel" in Erinnerung hat, mit den B-Mädchen ihre erste Hessenmeisterschaft feiern. 16 Jahre später gewann sie als Ersatztorhüterin der deutschen Nationalmannschaft in Barcelona die olympische Silbermedaille.

"Ich würde nie wieder ins Tor gehen", sagt Bianca Weiß dennoch. Die abwartende Position als letzte Eingriffsbereitschaft würde ihrem ursprünglichen Bewegungsdrang doch arg widersprechen. Die Beharrlichkeit, mit der Vereinstrainer Berti Rauth jedoch in frühen Jahren ihrem Wunsch widersprach, ins Feld wechseln zu dürfen, hat sich für beide Seiten gelohnt. Bianca Weiß, mit Sabine Lersch und Anja Mück ein Rüsselsheimer Eigengewächs mit Echtheitssiegel in der aktuellen Meistermannschaft, hat den Aufstieg von ganz unten bis ganz oben schließlich von klein auf mitgemacht. Von den Erfolgen in der Jugend bis zum ersten Damenspiel in der untersten Spielklasse, danach der unaufhaltsame Marsch in die Bundesliga und schließlich der Gewinn der deutschen Hallenmeisterschaften 1990, 1991 und 1993, des Hallen-Europapokals 1991 und 1992 und der Feldmeisterschaft 1992.

Bianca Weiß in Aktion bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona im Spiel Deutschland gegen Kanada

Erfahrungen und Erfolge hat sie also zur Genüge gesammelt, aber am Freitag beginnt dennoch ein neuer Abschnitt. Nachdem die Duisburgerin Susanne Wollschläger, häufig als beste Torhüterin der Welt bezeichnet, ihre Laufbahn beendet hat, steht sie zum ersten Male vor der realistischen Möglichkeit, die Nummer eins der Nationalmannschaft zu werden. Das erste Zusammentreffen nun in Köln ist zwar nur ein Lehrgang wie viele noch folgende - und doch ganz anders. Dieses Kribbeln im Bauch kennt sie von den vielen Trainingstagen im vergangenen Jahr nicht. "Es war immer klar und völlig eindeutig, daß es damals nur darum ging, hinter Susi die Nummer zwei zu sein."

Jetzt ist es anders, obwohl Bianca Weiß als auch Bundestrainer Rüdiger Hänel sich einig sind, daß nun nicht zwingend aus der Ersatztorhüterin des vergangenen Jahres die Stammtorhüterin werden muß. "Aber sie hat in den vergangenen Jahren sehr viele wichtige nationale Spiele erlebt, und sie bringt auch viel Erfahrung in der Nationalmannschaft mit ein", sagt Hänel, der in der Torwartposition auf Bianca Weiß und die Hamburgerin Alexandra Schmidt setzt. An der 25 Jahre alten Mainzer Betriebswirtschaftsstudentin schätzt er ihre gute Reaktion und vor allem ihre Arbeitsbereitschaft. Letzteres wird in Rüsselsheim manchen überraschen, denn als Trainingsweltmeisterin galt sie lange Zeit nicht unbedingt. "Wenn wir früher stundenlang irgendwelche taktischen Übungen gemacht haben, bin ich lieber Tennis spielen gegangen." Der alte Bewegungsdrang eben.

Geschadet hat es ihr nicht, denn Hänel attestiert ihr eine "unheimlich gute Entwicklung." Manchmal reagiere sie allerdings noch etwas impulsiv. Immerhin darf die Rüsselsheimerin zumindest zunächst einmal auf den Vertrauensvorsprung bei Hänel bauen. Bei der Hallen-Europameisterschaft, die im Januar wie üblich mit dem Titelgewinn der deutschen Mannschaft endete, wurde die Rüsselsheimerin in allen wichtigen Spielen eingesetzt - auch, um ihr "das nötige Selbstvertrauen für das Feld zu geben".

Mit dem Lehrgang am Freitag ist für Bianca Weiß indes die langersehnte und dafür kurze Pause zu Ende. Nach dem Gewinn der Hallenmeisterschaft Ende Februar flog sie mit ihrer Freundin und Teamgefährtin in der Nationalmannschaft und im Verein, Eva Hagenbäumer, für zehn Tage nach Florida. Kaum zurück, stand ein Sprinttest in Frankfurt auf dem Programm. "Wir haben eben so gut wie nie Pause", sagt die Torhüterin. Nach den Olympischen Spielen ging die Feldbundesliga weiter, danach schloß sich die Hallensaison an, und zwischendurch wurde noch die Hallen-Europameisterschaft gewonnen. Die Zeit ist knapp für die besten Hockeyspieler - und der Aufwand zahlt sich nicht einmal aus. Außer der Unterstützung durch die Sporthilfe gibt es nur warme Worte. "In den Vereinen ist einiges an Vermarktung verpaßt worden", glaubt die Torhüterin. Immerhin mußten die Rüsselsheimerinnen im vergangenen Jahr eine Bundesligareise nach Berlin selber finanzieren. Ein Problem, das die Nationalmannschaft nicht kennt. Für den Weg nach Köln gibt es Kilometergeld.