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25.02.2006)
Die Würfel darüber, ob
Hockey-Bundestrainer Bernhard Peters oder Matthias Sammer DFB-Sportdirektor
werden soll, sind vor gut zwei Wochen zu Gunsten des früheren
Fußball-Nationalspielers gefallen. Zu der Entscheidung und zum gesamten
Themenkomplex, der hohe Wellen geschlagen hat, haben wir mit dem langjährigen
Coach des Rüsselsheimer RK und früheren Damenhockey-Bundestrainer Berti Rauth
(47) gesprochen.
Frage: Der Deutsche Fußball-Bund
hat sich kürzlich gegen eine Anstellung von Hockey-Bundestrainer Bernhard Peters
als Sportdirektor ausgesprochen. Hat Sie die Entscheidung überrascht?
Rauth: Nein, nicht wirklich. Ich
kenne die Mentalität beim DFB, der nun mal sehr traditionsbewusst ist. Und ich
weiß auch, dass beim Fußball eher auf Namen als auf Inhalt geachtet wird. Eine
schillernde Figur auf der Trainerbank wird für die Außenwirkung als extrem
wichtig erachtet. Diese Leute haben aber nicht grundsätzlich das Lehren gelernt,
sondern sind in erster Linie auf ihren Erfahrungsschatz angewiesen. Deshalb
bewundere ich Trainer, die sich durchgesetzt haben, ohne selbst arrivierte
Kicker gewesen zu sein.
Frage: Warum hätte ein
Hockeytrainer dem deutschen Fußball gut getan?
Rauth: Das liegt in erster Linie in
der Person Bernhard Peters begründet. Er ist ein sehr akribischer Arbeiter mit
klaren Konzepten. Er kann Zusammenhänge wie kaum ein Zweiter erkennen,
strukturiert umsetzen und in die tägliche Arbeit einflechten. Dazu stellt das
deutsche Hockey schon lange Weltspitze dar, ist aber selbst als Olympiasieger
oder Weltmeister immer wahnsinnig offen für Ideen und Erfolgskonzepte anderer
Nationen gewesen. Am wichtigsten aber erscheint mir, dass die Grundlagen im
Hockey wirklich von Grund auf gelegt werden. Im Fußball ist eine Durchlässigkeit
in der Trainingsmethodik nach unten nicht erkennbar. Und das ist auf keinen Fall
nur eine Mentalitätssache.
Im Gespräch: Hockey-Nationalcoach Bernhard Peters
bespricht sich mit seinem Co-Trainer Torsten Althoff, der auch
einmal Trainer der Rüsselsheimer Hockey-Herren war. |
Frage: Lassen sich diese beiden
Sportarten überhaupt so ohne weiteres vergleichen? Im Hockey können doch etwa
Tore nicht von überall erzielt werden und es gibt kein Abseits.
Rauth: Auf dem großen Feld stehen
jeweils elf Spieler, es gibt einen Torwart und Tore. Von daher ist es allemal
interessant, die Spielsysteme abzugleichen. Ich bin überzeugt, dass die
Trainingsmethoden von Hockey auf Fußball übertragbar sind und umgekehrt. In
Holland ist es vollkommen normal, dass Hockeytrainer auch mal zum Fußball gehen.
Frage: Horst Wein, ein in Spanien
arbeitender Trainerkollege und früherer Hockey-Nationalspieler, behauptet,
Hockey sei dem Fußball um Welten voraus. Worauf stützt sich eine solche Aussage?
Rauth: Dadurch, dass Hockey nicht
über die mannigfache Auswahl an Spielern verfügt, ist man dort einfach zu
deutlich effizienterem Arbeiten gezwungen. Der systematische Aufbau von unten
ist unabdingbar. Dazu kommt die Athletik, wo im Fußball zwingend eingehakt
werden müsste. Die Belastung eines olympischen Hockeyturniers mit sieben Spielen
in zehn Tagen hält kein Fußballer durch. Die Laktatwerte der deutschen
Hockeyspieler sind stets ein guter Gradmesser. Auffällig war, dass die
Fußball-Nationalmannschaft Südkoreas einen Großteil ihrer Erfolge bei der WM vor
vier Jahren einer ungewöhnlich hohen Laufbereitschaft zu verdanken hatte.
Frage: Was können sich Fußballer
von Hockeyspielern abschauen?
Rauth: Jede Menge grundlegende Dinge.
Darüber hinaus beinhaltet Fußball relativ viele Stereotypen. Fast alles wird vom
Spielmacherprinzip abhängig gemacht oder Einzelkönner müssen es bringen. Fehlt
der Kreativmotor im Mittelfeld, wird doch oft fast nur noch auf hohe Bälle in
den Strafraum zurückgegriffen. Im Hockey geht viel mehr über die gesamte
Mannschaft; da gibt es herausragende Persönlichkeiten hinten, in der Mitte und
vorne. Das Spiel entwickelt sich über Kleingruppen, da die Geschicklichkeit in
engen Räumen sehr gefragt ist.
Frage: Sie selbst verwenden viel
Zeit darauf, Ihre Mannschaft per ausgefeilter Videotechnik auf anstehende Spiele
vorzubereiten. Ist Fußballtrainern das zu aufwändig?
Rauth: Ich weiß, dass auch
Fußballtrainern die gängigen Beobachtungssysteme zur Verfügung stehen.
Entscheidend ist, wie sehr wird das vertieft, um sich auf den jeweiligen
Spielgegner einzustellen. Stärken und Schwächen zu visualisieren, ist enorm
wichtig - und das schon in der Jugend. Die Erfahrung zeigt, dass im Fußball oft
mit Tafeln gearbeitet wird, auf denen Räume dargestellt werden. Da fehlt es
etwas am Analytischen. Andere Nationen, etwa die Niederlande, sind da deutlich
weiter.
Frage: Sie waren von Mitte 1995
bis Ende 2000 Bundestrainer der deutschen Hockeydamen. Könnten Sie sich
vorstellen, nebenher oder hauptamtlich für einen Fußball-Bundesligisten oder
-Verband tätig zu werden?
Rauth: Interesse, bei anderen
Sportarten reinzuschauen, sollte prinzipiell jeder Trainer haben. Und wenn es
Synergien gibt, dann sollte man die sich zu Eigen machen. Alles, was für Hockey
irgendwie zu greifen ist, interessiert mich brennend. Situatives Handeln im
Spiel ist so ein Thema; im Basketball hat es dazu Versuchsreihen gegeben.
Entscheidend ist, die Prinzipien des Spiels möglichst früh in der Jugend zu
verankern. Ein späterer Ein- und Umbau gestaltet sich in der Regel viel
schwerer. Für mich ist es wahnsinnig interessant, mit Kindern und an der Basis
zu arbeiten. Im Spitzenfußball haben die Trainer weder Zeit noch Ruhe,
Entwicklungsarbeit zu leisten. Ich hüte mich davor, nur mit fertigen Leuten zu
arbeiten. Bei Mainz 05 würde ich gerne mal reinschnuppern. Was Jürgen Klopp da
macht, finde ich gut. Und ich weiß, dass er schon mal am Sommerdamm gestanden
und Damenhockey zugeschaut hat.
Frage: Glauben Sie, dass Hockey
durch die aktuelle Vernetzung auf höchster Fußballebene hierzulande an Ansehen
gewonnen hat?
Rauth: Für Hockey ist die Diskussion
mit Sicherheit gut und eine tolle Sache. Und aufgrund der Bereitschaft für
innovative Dinge wird Hockey immer vorzeigbar bleiben.
Frage: Im September steht die
Hockey-WM in Mönchengladbach mit der deutschen Mannschaft als Titelverteidiger
auf dem Programm. Glauben Sie, dass Bernhard Peters nach der DFB-Offerte beim
Deutschen Hockey-Bund bleibt?
Rauth: Darüber werden die
Rahmenbedingungen entscheiden. Ein Trainer von seiner Qualität hat die
Möglichkeit, sich das Beste herauszusuchen. In der Hockeyszene gönnt ihm jeder
einen Aufstieg. Für das deutsche Hockey wäre sein Abgang ein herber Verlust.
Leute dieser Größenordnung hat es nicht viele gegeben.