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Über Mitglieder des
RRK (2000)
Berthold Rauth |
Aus "Main-Spitze" vom 04.09.2000:
Sieben RRK-Mitglieder in Sydney am
Ball
Hockey-Bundestrainer Rauth ist zuversichtlich
RRK-Olympiafahrer: Berti Rauth, Oliver Domke,
Christopher Reitz, Tanja Dickenscheid, Friederike Barth und Denise Klecker
(Björn Emmerling verhindert) bei der Verabschiedung im "Bootshaus" |
tag. - Es ist etwas ganz
Besonderes und doch wird es lokal kaum mehr wahrgenommen: Drei
RRK-Hockeyspielerinnen und ebenso viele Spieler, dazu Damen-Bundestrainer Berti
Rauth, reisen Mitte dieser Woche nach Sydney, nehmen an den Olympischen
Sommerspielen teil. Aber es ist eben auch längst nichts Ungewöhnliches mehr,
denn der Ruder-Klub wusste sich an der Spitze immer schon recht gut zu
behaupten. Besonders hervorzuheben bleibt jedoch, dass die Opelstadt bereits zum
zweiten Mal das größte Kontingent in den beiden Auswahlen des Deutschen
Hockey-Bundes (DHB) stellen kann.
Denise Klecker, Tanja
Dickenscheid und Friederike Barth, dazu Björn Emmerling, Oliver Domke sowie
Christopher Reitz - sie alle wurden am Freitagabend im RRK-Vereinsheim
"Bootshaus" mit den besten Wünschen von der Abteilungsleitung verabschiedet.
Dickenscheid und Reitz sind sogar schon zum dritten Mal hintereinander dabei und
brachten 1992 aus Barcelona Gold und Silber mit nach Hause.
Bundestrainer Berti
Rauth gab vor Ort einen Stimmungsbericht ab: Trotz hohen Drucks überwiege
momentan die Motivation, so sein zuversichtliches Resümee. Man habe auf jeden
Fall mehr Lust zu gewinnen als Angst zu verlieren. Soviel Zuversicht kommt
natürlich nicht von Ungefähr; beispielsweise, so Rauth, sei das verlorene
Europameisterschaftsfinale ein großer Pluspunkt gewesen. Das Team musste zwar in
ein Qualifikationsturnier gehen, letztlich jedoch habe man durch diesen
Härtetest die beste Vorbereitung für die Begegnungen in Australien gehabt.
Wenn Rauth sich auf den
schwankenden Pfad von Platzierungsprognosen begibt, so sieht er an der Spitze
Weltmeister Australien, gefolgt von den Niederländerinnen. Dahinter sieht er
eine Gruppe aus fünf Nationen, zu denen er auch Deutschland zählt.
Ausschlaggebend sei aber ganz klar die Tagesform. Zudem habe die Erfahrung
wiederholt gezeigt, dass man gegen die Weltspitze stets immer auch eine Chance
habe.
Berti Rauth -
Motivations-Künstler vom Untermain
Seine
Hockey-Damen zählen zum Kreis der Medaillenkandidaten
Von Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom
13.09.2000)
Die Liste der Erfolge,
die seiner Handschrift tragen, ist beeindruckend: 21 Titel in verschiedenen
nationalen und europäischen Wettbewerben hat der Hockeylehrer Berti Rauth mit
dem Damenteam des Rüsselsheimer RK seit 1990 eingeheimst. Entsprechend konnten
die Verantwortlichen im Deutschen Hockey-Bund (DHB) bei der Suche nach einem
neuen Bundestrainer den Motivationskünstler vom Untermain 1995 schwerlich
übergehen. Und obwohl der 41 Jahre alte Coach - mit Ausnahme zweier eher unbedeutender
EM-Triumphe in der Halle - seine Titelflut im Verein noch nicht auf das
Nationalteam übertragen hat, sind die DHB-Oberen guter Hoffnung, dass Rauth
nicht wie vor vier Jahren aus Atlanta (6.) mit leeren Händen aus Sydney zurück
kommt.
"Wollen so weit wie
möglich kommen"
Als WM-Dritter und
EM-Zweiter wird die 16-köpfige DHB-Auswahl zum Kreis der Medaillenkandidaten
gezählt. Zumal bei der Champions Trophy im Juni Weltmeister Australien besiegt
worden ist. "Wir wollen so weit wie möglich kommen, wissen aber, dass wir uns
alles schwer erarbeiten müssen", sagt Rauth. Aufgrund der kniffligen
Gruppengegner und einem harten Turniermodus mit Vor-, Zwischenrunde und
Platzierungsspielen hält es der ehrgeizige Bundestrainer für angebracht, den
Ball flach zu halten: "Australien und die Niederlande sind die Favoriten fürs
Finale. Dahinter folgt eine Gruppe mit fünf Teams, zu denen auch wir gehören".
Eröffnungsfeier
Sydney 15.09.2000 |
"Nur die Naiven
nehmen alles mit"
Um den Turnierstart
gegen Neuseeland nicht zu gefährden, ist die Eröffnungsfeier für seine
Spielerinnen tabu. "Nur die Naiven nehmen alles mit und gewinnen nichts", so
Rauths vielsagende Begründung.
"Wenigstens nicht
Letzter werden"
Nach
dem verpassten Einzug in die Finalrunde sitzt die Enttäuschung bei den
Hockeydamen und Berti Rauth ganz tief
Von Uli Meyer (aus
"Main-Spitze" vom 25.09.2000)
Berti Rauth hat in
seinen 30 Jahren Hockey schon einiges erlebt. Aber was dem Rüsselsheimer Trainer
des deutschen Damen-Nationalteams in Sydney widerfuhr, ist ihm auf den Magen
geschlagen. Statt wie erwartet um die olympischen Medaillen mitzuspielen,
verpasste die Auswahl des Deutschen Hockey-Bundes den Einzug in die Runde der
besten Sechs. Heute geht es in der Platzierungsrunde gegen Südkorea. Der Sieger
spielt am Mittwoch um Platz 7. "Ich will wenigstens nicht Letzter werden", hat
der "sehr enttäuschte" Rauth seine Ziele kräftig zurückgeschraubt.
Der Rüsselsheimer sieht
beim olympischen Hockeyturnier 2000 in einem Maße "Dinge auf den Kopf gestellt",
wie nicht nur er dies vorher kaum ahnen konnte. China und Neuseeland, die im
Damenhockey bislang keine nennenswerten Platzierungen erreichten, ließen in der
Vorrunde überraschend die Rauth-Schützlinge hinter sich, und als es am Freitag
im entscheidenden Spiel um den Einzug in die Endrunde ging, schlug einmal mehr
der deutsche Holland-Komplex zu. In wichtigen Spielen haben die
Niederländerinnen schon seit Jahren stets die Nase vorne. Diesmal reichte ein
2:2, um Deutschland aus dem Rennen zu werfen.
Denise Klecker ist dafür
bekannt, nach sportlichen Rückschlägen bald wieder lächeln zu können. In Sydney
bedurfte es dazu längerer Zeit. Die Verteidigerin vom RRK war gerade im Spiel
gegen die Niederlande zeitweise völlig von der Rolle und durch einen bösen
Schnitzer am Zustandekommen des Tores zum 1:2 beteiligt. Als dann auch ihre
vielgeübten Strafecken nicht funktionierten, war es um die gute Laune der
28jährigen geschehen.
Die Gesichter sprechen für sich: Britta
Becker und Berti Rauth nach dem Unentschieden gegen die Niederlande, das
nicht zum Einzug in die Finalrunde ausreichte. |
RRK-Teamkollegin
Friederike Barth ersetzte Klecker zeitweise auf der rechten Seite und kam in den
anderen Spielen zu gelegentlichen Kurzeinsätzen im Mittelfeld. Eine Großschuld
am deutschen Ausscheiden trug die 25jährige nicht, allerdings konnte sie sich
mit ihren Leistungen auch nicht für längere Einsatzzeiten empfehlen.
Waren Klecker und Barth
olympische Neulinge, so erlebt Tanja Dickenscheid in Sydney bereits ihre dritten
Spiele. Den Abschluss ihrer internationalen Karriere hatte sie sich wohl anders
vorgestellt. "Wir sind alle ziemlich deprimiert", brachte die 31jährige nach dem
Ausscheiden noch hervor. Selbstkritisch merkte die erfahrenste
RRK-Nationalspielerin an, "dass wir viel zu ängstlich und passiv gespielt haben.
Da hätte gerade von den Älteren mehr kommen müssen."
Tanja Dickenscheid hat
mit diesen Worten wohl auch ihre langjährige Vereinskameradin Britta Becker
eingeschlossen. Die gebürtige Rüsselsheimerin, die seit einem knappen Jahr in
Hamburg wohnt, konnte in Sydney nur selten an frühere Glanzleistungen anknüpfen.
Von ihrer spielgestaltenden Position im zentralen Mittelfeld gingen zu wenige
Impulse aus. Dass die 27jährige ab dem zweiten Spiel mit Bronchitis und Fieber
zu kämpfen hatte, darf als Entschuldigung gelten, ihrem Ruf als
Weltklassespielerin blieb Becker in Sydney aber vieles schuldig. "Dabei haben
wir im Vorfeld so viel gearbeitet wie noch nie zuvor", konnte die deutsche
Rekordnationalspielerin den Misserfolg nicht verstehen. "Vielleicht haben wir in
den zurückliegenden Jahren, speziell mit dem Olympiasilber 1992, unser Glück
schon aufgebraucht. Hier hat es uns jedenfalls total gefehlt." Und irgendwie
schien Becker, die wohl weitermachen wird, ein Dejavu-Erlebnis zu haben: "Vor
zehn Jahren ging es uns an gleicher Stelle nicht anders. Da haben wir bei der WM
in Sydney auch hauchdünn das Halbfinale verpasst und sind dann nur Achter
geworden." Ob es wieder Platz acht wird, wird sich zeigen. Fest steht bereits,
dass es die schlechteste Platzierung einer deutschen Damenhockeymannschaft bei
einem olympischen Turnier sein wird. Zu zwei Silbermedaillen (1984 und 1992)
kamen noch die Plätze fünf (1988) und sechs (1996).
Für gewöhnlich rollen
nach solchen Abstürzen Köpfe, meist die der Trainer. "Wir sind aber nicht beim
Fußball", sagt Christoph Wüterich. Der DHB-Präsident aus Stuttgart steht trotz
der enttäuschenden Platzierung der Damen weiterhin zu seinem Bundestrainer: "Rauth
und der gesamte Trainerstab haben eine Toparbeit geleistet." Freilich musste
auch der Verbandschef feststellen, "dass unsere Mannschaft hier leider nicht das
gebracht hat, was sie bei den letzten großen Turnieren, insbesondere der
Champions Trophy zeigte." Der für den Leistungssport zuständige DHB-Vize Joachim
Hürter verlangt von Rauth ein "schlüssiges Konzept", wie man möglichst bald
wieder in die Weltspitze zurückfindet.
Das allerdings könnte in
der Tat schwer werden. Herausragende Talente gibt es zur Zeit fast nur auf
männlicher Seite. Und durch das Verpassen der Top-Sechs droht dem DHB die
Kürzung der staatlichen Förderung für den weiblichen Bereich. Wie die
Wüterich-Vorgabe, "in Zukunft mehr tun zu müssen", um weiterhin mit dem sich
ständig weiter entwickelnden Weltniveau im Damenbereich mithalten zu können,
dann umgesetzt werden kann, steht völlig in den Sternen. Und ob Berti Rauth
überhaupt selbst noch will? Nach dem 1:2 gegen China stellte er fest: "Wenn
diese asiatischen Profis jetzt auch noch über unsere Erfahrung verfügen, dann
haben wir in Zukunft wohl keine Chance mehr." Da klang viel Resignation mit.
"Mehr verdient gehabt"
Nach 189 Länderspielen ist für Tanja
Dickenscheid international Schluss
Von Uli Meyer (aus
"Main-Spitze" vom 28.09.2000)
Dieser Abschluss stimmte versöhnlich. Die deutschen Hockeydamen gewannen in
Sydney das Spiel um Platz 7 hochverdient 2:0 gegen Großbritannien. Gegen einen
Gegner, der im Vorfeld des olympischen Turniers ebenso wie Deutschland zu den
Medaillenkandidaten gezählt wurde, bot die Auswahl des Deutschen Hockey-Bundes
(DHB) ihre beste Turnierleistung. Und: der Abschlussplatz sichert automatisch
das Startrecht bei der WM 2002. Immerhin.
"Das ist ein Ende mit lachendem und weinendem Auge", sagt Tanja Dickenscheid
vom Rüsselsheimer RK und deutete das zwiespältige Gefühl an, das nicht nur sie
beschäftigt. "Gerade diese letzte Partie hat gezeigt, dass wir es verdient
gehabt hätten, weiter vorne mitzuspielen. Ein verlorenes Spiel hat letztlich
alles kaputt gemacht", erinnert sich Dickenscheid ungern an die schwache
Leistung beim 1:2 gegen China.
Für die Mannschaft sei es sehr schwer gewesen, sich danach noch für die
Platzierungsspiele zu motivieren, gibt die 31-Jährige zu. Um so erfreuter war
sie dann, dass es doch noch geklappt hat und zwei Siege über Südkorea (3:2 nach
Verlängerung) und Großbritannien heraus sprangen. Denn für Dickenscheid war es
nach 189 Länderspielen der letzte Auftritt im Nationaltrikot. "Dass ich
international Schluss mache, habe ich schon vor den Spielen gesagt. Das war auch
völlig unabhängig vom Ausgang des Turniers". Bereut hat sie es nicht, nach eineinhalb Jahren Pause in die Nationalmannschaft zurückzukehren und trotz
Einstieg in das Berufsleben das umfangreiche Vorbreitungsprogramm auf die
Olympischen Spiele fast ohne Abstriche mitzumachen. "Das war kein Fehler; ich
würde es immer wieder tun und bereue nichts", sagte die Diplom-Biologin trotz
der enttäuschenden Sydney-Platzierung.
Mitfühlen konnte Tanja Dickenscheid auch mit ihren RRK-Vereinskollegen
Christopher Reitz, Björn Emmerling und Oliver Domke, die mit den DHB-Herren
unmittelbar vor dem Einzug ins Halbfinale standen und dann überraschend doch
noch scheiterten. "Was hier passierte, ist eine Katastrophe für das deutsche
Hockey", sagt Tanja Dickenscheid, die schon bessere Zeiten erlebt hat. 1992
gewann sie in Barcelona olympisches Silber, doch vier Jahre später war Atlanta
mit Platz 6 schon eine Enttäuschung. "Das waren auch sonst eher magere Spiele im
Vergleich zu Sydney, das von der ganzen Veranstaltung her viel bessere
Bedingungen für uns Sportler bot und insgesamt ein tolles Erlebnis war", so die
dreifache Olympiateilnehmerin. Dennoch wird sie - im Gegensatz zur ihren
aktuellen (Denise Klecker und Friederike Barth) und früheren (Britta Becker)
RRK-Mitstreiterinnen - schon einen Tag vor der Schlussfeier am Samstag im
Flugzeug sitzen. Warum: "Damit ich am Montag ganz normal arbeiten gehen kann".
"Turnier seriös analysieren"
Berti Rauth lernt in zwei olympischen
Wochen mehr als in 25 Jahren
Von Uli Meyer
(aus "Main-Spitze" vom 29.09.2000) Drei Siege, zwei Unentschieden und eine Niederlage: Die statistische
Bestandsaufnahme der deutschen Hockeyspielerinnen in Sydney fällt positiv aus.
Doch unter dem Strich steht mit dem siebten Rang im Abschlussklassement die
schlechteste Platzierung einer Damenauswahl des Deutschen Hockey-Bundes (DHB)
bei olympischen Turnieren zu Buche. Für dieses Abschneiden mit verantwortlich
wird natürlich auch der Bundestrainer gemacht - Berti Rauth.
Ob auch er in Zukunft beim DHB „ganz normal" weiterarbeiten kann, weiß der
langjährige Erfolgscoach des Rüsselsheimer RK derzeit noch nicht. Er ist sich
sehr wohl darüber im Klaren, dass seine Position nach der äußerst mageren
Platzierung von Sydney umstritten ist. Dass das größte deutsche Boulevardblatt
bereits seinen Rauswurf gefordert hat, lässt den 41-jährigen aber eher kalt:
"Ist doch klar, dass die so etwas schreiben müssen. Ich aber bin an einer
seriösen Analyse des Turniers interessiert. Und genau das werden wir zusammen
mit den Verantwortlichen des DHB in aller Ausführlichkeit und Offenheit auch
machen".
Allerdings gab Rauth, dessen Vertrag beim DHB zum Ende des Jahres ausläuft, zu,
unmittelbar nach dem Ausscheiden in der Vorrunde an persönliche Konsequenzen
gedacht zu haben. Die beiden Spiele in der Platzierungsrunde habe er zur
Nagelprobe erklärt: "Innerlich habe ich gedacht: Wenn die Mannschaft jetzt
keinen Bock mehr hat und sich nicht mehr von mir führen lässt, dann habe ich
hier auch nichts mehr zu suchen". Das Team indes gab die Antwort auf dem Platz -
mit zwei guten Leistungen gegen Südkorea (3:2) und Großbritannien (2:0). Und
entsprechend stolz war der Bundestrainer nach dem Sieg im Spiel um Platz sieben:
„Das Team hat unheimlichen Charakter gezeigt und sich das verlorene
Selbstwertgefühl sportlich ein Stück weit zurück erkämpft".
Dass die Leistungen in der Trostrunde freilich nicht ausgereicht hätten, den
Topfavoriten Australien zu schlagen, hat in Sydney auch Rauth eingesehen: "Die
australische Mannschaft spielt hier so überlegen, dass sie über Dinge wie Glück,
Zufall oder Schiedsrichterentscheidungen erhaben ist. Für alle anderen
Mannschaften - und das gilt auch für die Herren - war es ein Zitterturnier, bei
dem in ganz wenigen Momenten die Entscheidungen gefallen sind". Das gleiche
Turnier, zwei Wochen später noch einmal ausgetragen, könne daher bis auf
Australiens Dominanz "einen völlig anderen Ausgang nehmen", mutmaßt Rauth und
verweist auf die enorme Ausgeglichenheit des Feldes. Diesmal waren seine
Schützlinge mit Rang sieben die Angeschmierten. Aber Rauth wäre nicht Rauth,
wenn er aus dieser bitteren Erkenntnis nichts für sich mitnehmen würde: "Ich
habe hier in zwei Wochen mehr über unseren Sport gelernt als in 25 Jahren
zuvor".
Nachgefragt bei ...
Tanja Dickenscheid (Rüsselsheimer
RK)
Das Gespräch führte Martin Krieger
(aus "Main-Spitze" vom 03.10.2000)
Main-Spitze: Sie sind als
Erste der acht heimischen Olympioniken aus Sydney zurückgekehrt und am Montag um
8.30 Uhr brav zur Arbeit gegangen. Wie war's beim dritten Mal?
Dickenscheid: Obwohl es
sportlich katastrophal für uns gelaufen ist waren das tolle Spiele. Das
olympische Dorf war schöner als in Barcelona oder Atlanta. Stimmung und
Atmosphäre dort waren einmalig, da es viel mehr Kontakte zu anderen Sportlern
gab.
Main-Spitze: Woran hat es denn
dann gelegen, dass es auf dem Hockeyplatz noch schlechter gelaufen ist, als vor
vier Jahren?
Dickenscheid: Wenn ich das so
genau wüsste. Jedenfalls waren wir unfähig, das zu zeigen, was wir wirklich
können und hatten insgesamt zu wenig Selbstvertrauen. Aber ich denke auch, dass
der Erwartungsdruck sehr hoch war. Wenn man sich vor Augen hält, wie dicht alle
zehn Teams leistungsmäßig zusammen liegen, habe ich mich schon gewundert, wie
oft im Vorfeld - auch innerhalb unserer Mannschaft - von einer Medaille
gesprochen wurde.
Main-Spitze: Waren Sie mit
Ihren Leistungen zum Abschluss der internationalen Karriere zufrieden?
Dickenscheid: In den ersten
drei Spielen eigentlich schon, wobei ich das Gefühl hatte, ich hätte etwas mehr
für die Offensive tun können. Als wir ausgeschieden waren, sind alle vom Kopf
her freier gewesen. Es hat auf alle Fälle noch 'mal totalen Spaß gemacht, denn
so ein homogenes Team hatten wir selten.
Main-Spitze: Berti Rauth ist
in Sydney heftig angegriffen worden. Wird er Bundestrainer bleiben?
Dickenscheid: Ich denke schon.
Der krassen Kritik haben wir jedenfalls relativ wenig Bedeutung beigemessen. Da
haben sich Leute geäußert, die gar nicht wissen, wie's im Damenteam zugeht.
Aus
"Main-Spitze" vom 04.11.2000:
"Scheidung" perfekt
DHB verlängert den Vertrag mit
Rauth nicht
Beim Deutschen Hockey-Bund (DHB) ist
die Trainer-Rotation in vollem Gange. Vier Wochen nach der Enttäuschung von
Sydney bestätigte der bei Olympia leer ausgegangene Verband am Freitag auch
offiziell die Trennung von Damentrainer Berti Rauth. Doch der DHB plant sogar
den totalen Neuanfang: Denn nach gesicherten dpa-Informationen steht auch
Herren-Coach Paul Lissek nach Platz fünf in Sydney vor dem Aus.
"Das von Berti Rauth vorgestellte
Zukunftskonzept einer Vollzeit-Beschäftigung mit der Auswahl ist gut. Es lässt
sich meines Erachtens aber nicht umsetzen", erklärte DHB-Chef Christoph Wüterich
die einvernehmliche Trennung von Rauth mit Ablauf des Vertrages zum 31. Januar
2001. Zuvor hatte sich der DHB mit Rauth verständigt, der seit August 1995 als
Nachfolger Rüdiger Hänels mit weit mäßigerem Erfolg als als Vereins-Coach (über
20 Titel in 22 Jahren beim Rüsselsheimer RK) auch die DHB-Damen betreut hatte.
Zweiten Rängen bei den Champions Trophys 1997 und 2000 sowie WM-Bronze 1998
standen Rückschläge bei Olympia in Atlanta (6.) und Sydney (7.) gegenüber.
"Berti hat gute Arbeit geleistet und unser Damen-Hockey weiter gebracht. Der
Beschluss ist aber auch perspektivisch zu sehen", so Wüterich. Rauth habe die
neue Konzeption mit hohem Zeitaufwand als "nicht leistbar" angesehen.
Rauth hält den gewählten Weg für
gefährlich und falsch. "So viel Potenzial auf einmal darf man nicht
wegschmeißen. Wenn auch Lissek in die Wüste geschickt wird und der Nachfolger
irgendwann mal geht, dann kommt nichts mehr und man wird schwächer", warnt er.
Als neuen Damen-Coach wünscht er sich einen von jenen, die schon immer alles
besser wussten: "Jetzt sollen die Schlausprecher zeigen, was sie können."
A us
"Main-Spitze" vom 04.11.2000:
Was kommt nach Rauth?
Hans-Jürgen
Schlicht zum Hockey-Bund
Auch in der Randsportart Hockey ist
der Trainer das schwächste Glied in der Kette. Weil sich seine Damen in Sydney
einen Moment der Unaufmerksamkeit leisteten und durch die 1:2-Niederlage gegen
China die Medaillenrunde verpassten, muss Bundestrainer Berti Rauth seinen Hut
nehmen. Und weil der Deutsche Hockey-Bund gerade dabei ist, klar Schiff zu
machen, soll wohl auch Herrencoach Paul Lissek von Bord gehen. Was aber kommt
nach dem Rüsselsheimer Rauth und dem Limburger Lissek? Der DHB muss sich darüber
im Klaren sein, dass er mit der Professionalisierung anderer Nationen nicht
mithalten kann. Dafür fehlen der Führungscrew um Präsident Wüterich die
finanziellen Mittel. Und noch eines darf nicht vergessen werden: Hockey ist bei
den Sportfans hierzulande nur dritte Wahl. Dass zum Beispiel die Endrunde um die
Deutsche Meisterschaft in Mainz den Fernsehanstalten keine einzige Sendesekunde
wert war, sagt alles über den Stellenwert dieser Sportart. Nur alle vier Jahren,
wenn es um olympische Medaillen geht, rückt sie in den Blickpunkt. Eigentlich
schade, denn das Spiel mit Krummstock und Ball kann so attraktiv sein.
Aus "Main-Spitze" vom 04.11.2000:
Wie sieht Rauths Zukunft beim
Ruder-Klub aus?
sl. - Ein sicherlich enttäuschender
siebter Platz bei den Olympischen Spielen in Sydney, verbunden mit dem
schwerwiegenden Verlust der finanziellen Optimalförderung durch den Bund, schon
sind Erfolge vergessen, wird einem Bundestrainer das Vertrauen entzogen. So
teilte der Deutsche Hockey-Bund (DHB) am Freitag mit, was sich bereits
abgezeichnet hatte: Der DHB wird den am 31. Januar auslaufenden Vertrag mit
Berti Rauth nicht verlängern. Rauth nimmt die Verbandsentscheidung durchaus mit
gemischten Gefühlen auf. Einerseits wirkt Rauth deprimiert: "Was ich dem
deutschen Hockey in den vergangenen fünf Jahren gegeben habe, ist nicht wenig."
Doch er gewinnt der Entscheidung auch eine positive Seite ab: "Als
Vereinstrainer ist man nicht diesem Stress und Erwartungsdruck ausgesetzt."
Womit Rauth das Stichwort liefert.
Wie sieht seine Zukunft beim Rüsselsheimer Ruder-Klub (RRK) aus, nach dem ihm
auch eine Verdienstquelle verloren gegangen ist. "In der Hallenbundesliga-Saison
werde ich natürlich weiter das Damenteam betreuen", so Rauth, der für die Zeit
danach, einen mittelfristigen Vertrag anstrebt. Dieser solle einer intensiveren
Tätigkeit Rechnung tragen. Denn neben den Damen will sich der 42-Jährige wieder
um den gesamten Nachwuchs kümmern. "Ich bin gerne beim RRK und nach 20 Jahren
Trainertätigkeit mit dem Verein verbunden. Ich möchte nicht von vorne herein,
einem lukrativem Angebot eines anderen Klubs nachgeben. Aber ich bin nicht zu
bequem, etwas Neues anzufangen", so Rauth. Ein erstes Sondierungsgespräch wird
er am Montag mit RRK-Abteilungsleiter Martin Müller führen. |